Abschlusspapiere für die Tonne?

Droht auch die Zukunftskommission Landwirtschaft zu zerbrechen? Die Verärgerung über das schleppende Vorgehen der Ampelkoalition groß

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Foto: © BMEL/Janine Schmitz/Photothek)
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Foto: © BMEL/Janine Schmitz/Photothek)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Es gab Zeiten, da setzten viele große Hoffnungen in den grünen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. Denn der begann seine Amtszeit damit, sich nach und nach über Kontakte und Gespräche in komplexe Sachthemen einzuarbeiten, und vermied es, ideologische Phrasen zu dreschen. 

 

Özdemir bescheinigte der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) noch vor einem Jahr, „Historisches“ geleistet zu haben. Tatsächlich ist der Bericht „Zukunft Landwirtschaft. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, der 2021 einstimmig (!) von den ZKL-Mitgliedern beschlossen wurde, ein erstklassiges Werk, um eine ökologisch und ökonomisch tragfähige sowie sozial verträgliche Landwirtschaft in Deutschland auch in Zukunft zu sichern. Die Belange von Landwirtschaft, Wirtschaft und Verbraucher, Umwelt-, Natur- und Tierschutz wurden unter Einbeziehung der Wissenschaft berücksichtigt. 

 

Doch was bisher aus dem Abschlusspapier umgesetzt wurde, ist mager und enttäuschend. Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes und von Beginn an in der Kommission aktiv, spricht offen von einem dürftigen Ergebnis. „Insbesondere im Themenbereich Tierschutz besteht die Arbeit der Bundesregierung bislang lediglich in der vagen Ankündigung von Initiativen“, beschreibt er das Dilemma, das auch für andere Bereiche gilt. Gut in Erinnerung ist zum Beispiel noch die Ergänzung der bereits bestehenden vierstufigen freiwilligen Tierhaltungskennzeichnung um ein verpflichtendes fünfstufiges System mit zahlreichen Lücken. Der Versuch von Cem Özdemir, dies als Erfolg zu verkaufen, ging schief.

 

Das Handeln der Regierung werde dem ZKL-Abschlussbericht nicht gerecht, schreibt Schröder in einer persönlichen Erklärung. Seinen Sitz in dem hochkarätigen Gremium lässt der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes (über 800.000 Mitglieder) bis auf Weiteres ruhen. Erst wenn die Novellierung des Tierschutzgesetzes endlich angegangen wird, will er zurückkehren.

 

Kein Transformationsprozess ohne Finanzierung 

 

Wie beim Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, besser bekannt als Borchert-Kommission, geht es auch bei den ZKL-Empfehlungen ums Geld. Zig Milliarden sind für den Transformationsprozess in der Landwirtschaft erforderlich. Doch stattdessen liefert die Ampel im Haushaltsentwurf Streichungen im Agraretat. 

 

Im Bremserhäuschen sitzt die FDP, die mit ihrer Blockadehaltung bereits dafür gesorgt hat, dass die Borchert-Kommission entnervt die Arbeit eingestellt hat und der Umbau der Nutztierhaltung nicht richtig vorankommt. Selbst aus Sicht von Thomas Schröder, der von Haus aus Buchhändler und Kommunikationsexperte ist und den Tierschutz vertritt, setzt die Regierung damit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft aufs Spiel. „Ich bin nicht länger bereit, als Resonanzboden für die Bundesregierung zu fungieren, wenn konkrete Umsetzungen im Regierungshandeln nicht erkennbar werden. Schon die Versprechungen im Koalitionsvertrag werden nicht umgesetzt, da bricht das Vertrauen in weitere Ankündigungen“, sagt er.

 

Noch will die Zukunftskommission Landwirtschaft weiterarbeiten. ZKL-Mitglied Hubertus Paetow, Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), wies gegenüber Agra-Europe darauf hin, dass das Gremium trotz Unzufriedenheit weiter tagen werde. Die Kommission werde gebraucht und sei aufgrund ihrer Struktur ein „Wert an sich“.  Aber auch Paetow lässt durchblicken, dass man über die schleppende und fehlende Umsetzung der Vorschläge durch die Politik enttäuscht ist. Der Abschlussbericht aus 2021 werde in der ZKL nicht infrage gestellt. Ein Thema soll jetzt die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sein. 

 

Stellt sich allerdings die Frage, ob die Regierung am Ende auch diesen neuen Empfehlungen so viel Beachtung schenken wird wie dem Bericht der Borchert-Kommission und dem ZKL-Abschlusspapier. Ein Signal in diese Richtung gibt es bisher nicht.

 


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