Das gestoppte Heizungsgesetz als Sommerthema – Viele Bürger auf dem Land bestellen wieder Gaskessel

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

jetzt beginnt für die Abgeordneten des Bundestags die lang ersehnte Sommerpause. Doch dieses Jahr ist für sie vieles anders als sonst. Den Parlamentariern stehen in ihren Wahlkreisen unangenehme Wochen bevor. Denn die Richter in Karlsruhe haben der Koalition beim Wunsch nach einer ruhigen Ferienzeit einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Entscheidung der Verfassungshüter, das umstrittene Heizungsgesetz nicht im Schnellverfahren durchs Parlament peitschen zu lassen, stürzt die Ampel noch tiefer in die Krise. Denn klar ist: Die Regierung mag noch so sehr beteuern, an dem Gesetzentwurf werde nichts mehr geändert. Versuche, notwendige Korrekturen durchzusetzen oder gar das ganze Vorhaben noch zu Fall zu bringen, werden vonseiten der Opposition heftiger denn je erfolgen. Das ist ihr gutes Recht, und die Bürger erwarten so etwas auch von Kontrolleuren der Regierung.

 

Jürgen Wermser
Jürgen Wermser

Das Thema Heizen und Energie steht verständlicherweise im Mittelpunkt von vielen kritischen Diskussionen und Gesprächen im ländlichen Raum. Auch ein Großteil der Bevölkerung ist von den Maßnahmen nicht überzeugt, wenngleich aus unterschiedlichen Beweggründen. Laut jüngstem ARD-Deutschlandtrend geht zehn Prozent der Befragten das Heizungsgesetz nicht weit genug, 45 Prozent geht es dagegen zu weit und nur 35 Prozent halten die Regelungen für angemessen. Gewiss, man sollte solche Zahlen nicht überinterpretieren. Aber sie zeigen doch, dass das Vorhaben der Ampelkoalition – freundlich formuliert – nicht allgemein akzeptiert wird.

 

Die guten Absichten der Koalition mögen noch so ehrenwert sein, aber die Bürger verstehen oder befürworten sie nicht. Beides bedeutet für die Ampel: So kann es nicht weitergehen. Denn eine Regierung darf die Bürger nicht bevormunden, sondern sollte sie auf zukunftsweisende Wege argumentativ mitnehmen. Doch dazu muss sie ihre Vorhaben vorher auch entsprechend politisch kommunizieren. Das ist im Fall Heizungsgesetz nur unzureichend geschehen. Der Gipfel dieses Versagens und der dadurch entstandenen Unsicherheit und allgemeinen Verwirrung waren die jüngsten Versuche der Koalition, das Gesetz ohne lange Debatte im Bundestag durchzusetzen. Am Freitag vergangener Woche erst war der Entwurf fertig, mit dem die Koalition in die abschließende Beratung im Bundestag ging. 110 Seiten hatte das Dokument, über mehr als 90 davon ziehen sich Änderungen. Und schon nach 72 Stunden sollten Experten dazu in einer Anhörung qualifiziert Stellung nehmen. Als seriös lässt sich dieses Verfahren wohl kaum bezeichnen.

 

Verärgerte Reaktionen und Zweifel an praktischer Umsetzung

 

Entsprechend verärgert war auch Kay Ruge, der den Deutschen Landkreistag vertrat. „Wir halten dieses Verfahren für nicht akzeptabel“, sagte er laut Süddeutscher Zeitung. Schließlich müssten die Kommunen erst „die Vollzugsfähigkeit“ prüfen. Recht hat er. Denn genau darum sollte es doch in erster Linie gehen: die praktikable und zügige Umsetzung von sinnvollen Maßnahmen zum Schutz des Klimas, ohne dass dabei Wohlstand und sozialer Frieden gefährdet werden. Zweifel, dass dies mit dem neuen Gesetz angesichts seiner hektischen Vorgeschichte gelingen wird, sind groß. Das kann fatale Folgen haben, darunter auch ein genereller Vertrauensverlust in den gesamten, von der Koalition angestoßenen Modernisierungsprozess.

 

Was als geschäftsordnungsmäßig trickreich gedacht war, hat sich dank Karlsruher Richter als Rohrkrepierer erwiesen. Die Koalitionspolitiker waren auf die harte Entscheidung aus Karlsruhe nicht vorbereitet, was nicht gerade für ihre strategische Kompetenz spricht. In Sachen Kommunikation ist dies ein Desaster. Denn natürlich verstärkt sich der Eindruck bei vielen Bürgern, dass im Kleingedruckten noch so manche unangenehme Formulierung versteckt ist, die die Politik durch ein schnelles Verfahren überspielen wollte. Nur Transparenz schafft Vertrauen.

 

Tiefe Risse innerhalb der Ampelkoalition

 

Die letzten Wochen und Monate offenbarten tiefe Risse innerhalb der Koalition. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass die wesentlichen Konfliktlinien innerhalb des Regierungslagers fast ebenso groß waren wie die zwischen Regierung und Opposition. Kurz: Jeder stritt und feilschte mit- und gegeneinander. Und was machte der Kanzler? Er schlichtete, vermittelte, doch letztlich wirkte er wie ein Getriebener, der das Ergebnis am Ende schönzureden hatte. Politische Führung, die Scholz zu Beginn seiner Kanzlerschaft so vollmundig versprach, sieht anders aus.

 

Es geht hier um viel. Was in Berlin jetzt nach langem Hin und Her im Parlament beschlossen wurde, wird bis ins kleinste Dorf tiefe Spuren hinterlassen. Allerdings nicht unbedingt solche, die die Befürworter des Gesetzes ursprünglich erwartet hatten. Im Heidekreis etwa, wo ich wohne, spüren Betriebe einen Ansturm auf alte Heiztechnik wie lange nicht zuvor. So berichtet die örtliche Tageszeitung, dass bei einem großen Handwerksunternehmen für Heizung, Lüftung und Sanitär innerhalb von zwei Monaten so viele Bestellungen für Gaskessel eingegangen sind wie sonst in einem ganzen Jahr. 130 bis 160 Heizkessel hätten die Mitarbeiter sonst im Jahresdurchschnitt eingebaut, was schon eine ordentliche Leistung sei. Der Geschäftsführer des Betriebs sprach von einer „großen Verunsicherung“ der Kunden.

 

Auch der örtliche Innungsobermeister berichtete von einem Ansturm der Kunden. Vor einem Jahr sei die Wärmepumpe noch die favorisierte Technik gewesen – nicht zuletzt auch deshalb, weil die Kosten zur Hälfte vom Staat gefördert worden seien. Als das Förderprogramm dann im August 2022 neu aufgelegt und der Zuschuss verringert worden sei, habe die Nachfrage schlagartig abgeebbt.

 

Freuen darf sich nur die AfD

 

Andernorts dürfte es vielfach ähnlich aussehen. Für die Ampelkoalition sind solche Abstimmungen der Bürger per Auftragszettel ein Armutszeugnis. Es bestätigt sich wieder einmal: Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. All dies trägt dazu bei, dass die meisten Bürger beunruhigt von den aktuellen Verhältnissen sind. Laut ARD-Deutschlandtrend sind 77 Prozent beunruhigt, während lediglich 18 Prozent der Befragten Zuversicht äußern.

 

Freuen darf sich über solche Zahlen nur die AfD. Die Rechtspopulisten profitieren von der allgemeinen Verunsicherung und von den Schwierigkeiten der Koalition, ihre Vorhaben verständlich und überzeugend zu kommunizieren. Viele Bürger führen sich von den Regierenden alleingelassen, auch wenn dies objektiv nicht so sein muss. Entscheidend sind hier der Eindruck und die Meinung, die sich dann in lautstarken Protesten oder auf dem Stimmzettel niederschlagen. Diese daraus folgenden Gefahren für eine funktionierende Demokratie, aber auch für den Klimaschutz sollten nicht verharmlost werden.

 

Wärmster Juni seit Aufzeichnungsbeginn

 

Dabei wird der Kampf gegen die Erderwärmung immer dringender. So war der vergangene Monat der wärmste Juni seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1950. Dies ergibt eine Auswertung des Erdbeobachtungsprogramms Copernikus. Der bisherige Hitzerekord aus dem Juni 2019 sei noch einmal deutlich übertroffen worden, erklärten die Experten. Ein Grund seien die steigenden Temperaturen der Meeresoberflächen. Diese lagen im Juli im Durchschnitt fast 1,4 Grad Celsius über den in dieser Jahreszeit üblichen Werten. Die Experten sprechen von „extremen maritimen Hitzewellen“, die unter anderem auch die Ostsee betreffen.

 

Keine Frage, auch Deutschland und die Bundesregierung müssen in Sachen Klimaschutz handeln. Aber bitte transparent und mit Augenmaß. Sonst wird mehr Schaden als Nutzen angerichtet. Trotz alledem, liebe Leserinnen und liebe Leser, bleiben Sie optimistisch und klicken Sie nach vorn. In diesem Sinne verbleibe ich mit den besten Grüßen und Wünschen für eine gute, positive Woche

 

Ihr

Jürgen Wermser

Redaktionsleitung/Koordination

 

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