Grenzen der Urbanisierung

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Es liegt was in der Luft. Die wachsende Erkenntnis, dass große Städte einerseits massiv zum Klimawandel beitragen und anderseits am ärgsten unter den Folgen leiden, könnte einen Megatrend der vergangenen Jahrzehnte verlangsamen: die Urbanisierung.

 

Mit diesem Begriff wird die globale Entwicklung hin zum Stadtleben beschrieben. Prognosen gehen davon aus, dass im Jahr 2030 schon 60 Prozent der Weltbevölkerung nicht mehr auf dem Land leben werden. Im Jahr 2050 sollen es rund 70 Prozent sein. Von einem „Planet der Städte“ ist die Rede.

 

Aber macht dieses Bild von der Erde wirklich Sinn? Denn das Wissenschaftlerteam, das sich die Klima- und Belastungsdaten aus 33 Jahren genau angeschaut hat, stellt den Metropolen kein gutes Zeugnis aus. Die hohe Konzentration von Menschen an einem Ort geht in den meisten Fällen einher mit höherer Luftverschmutzung. Beton, Asphalt, Metall- und Glasfassaden machen im Sommer aus den Städten „Wärmeinseln“. Ein harmlos klingender Begriff, der aber tatsächlich eine bedrohliche Situation beschreibt.

 

Anstieg der Hitzetage über 40 Grad in Großstädten erwartet

 

In den Großstädten, so ermittelten die amerikanischen Forscher, wird es bei zunehmender Erwärmung in Zukunft mehr und mehr Hitzetage mit Temperaturen oberhalb von 40 Grad Celsius geben. Schon heute ist ein Viertel der Weltbevölkerung in den Metropolen solchen extrem heißen Tagen ausgesetzt. Hitzestress für den Menschen mit gesundheitlichen Folgen für Alte und Kranke.

 

Experten wie der Meteorologe Daniel Hertel vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig sprechen von einer „Übererwärmung“. Tagsüber könne es sogar vorkommen, dass es in einer Stadt sechs bis acht Grad wärmer ist als in der angrenzenden Region, erklärte er kürzlich in einem Interview. Der Städter erlebe eine tropische Nacht und schlafe schlecht, draußen auf dem Land werde das Schlafzimmer bei Temperaturen unter 20 Grad gut durchgelüftet.

 

Glasfassaden wirken wie Brennglas

 

Viele Städte haben zum Glück erkannt, dass ihre Strukturen oft nicht stimmen. Es fehlen in den Häuserschluchten Parks, Grünzonen und Wasserflächen, die sich günstig aufs Klima auswirken. Viel zu viele Bereiche sind versiegelt. Moderne Glasfassaden wirken wie ein Brennglas und lassen die Temperaturen steigen.

 

Immer mehr wird heute auf den Luftaustausch geachtet. Bevor heute Baulücken ge- oder Neubaugebiete erschlossen werden, zerbrechen sich auch politische Ausschüsse den Kopf darüber, ob dieses Vorhaben die Stadt nicht noch mehr zum Schwitzen bringt.

 

Millionen Euro fließen hierzulande seit einigen Jahren in verschiedene Forschungsprojekte, die unter dem Titel „Stadtklima im Wandel“ firmieren. Mehrere Module, zig Teilprojekte – am Ende hofft man, den Stadtplanern in Deutschland so gute Werkzeuge in die Hand geben zu können, dass sie große und auch mittelgroße Städte fit für den Klimawandel machen können. Erste Simulationsmodelle sind zumindest vielversprechend und wecken die Hoffnung auf Besserung. Ein Weiter-so kann es nicht geben.

 

Die US-Forscher warnen vor erhöhter Morbidität und Mortalität in den hitzegeplagten Ballungsgebieten. Die Menschen werden krank oder verlieren, wenn sie in küstennahen Metropolen leben, im schlimmsten Fall bei schweren Stürmen oder Überschwemmungen ihr Leben. Die Rechnung, dass große Städte dem wirtschaftlichen Fortschritt dienen, gehe angesichts der klimatischen Veränderungen am Ende nicht auf. Die Staaten sollten sich im Gegenteil bemühen, die oft durch fehlende Arbeitsplätze ausgelöste Landflucht einzudämmen. Hier sei keine Zeit zu verlieren. Der ländliche Raum hat eine wichtige Funktion und verdient eine entsprechende Förderung.

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