Keine Lust aufs Lastenrad

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Rund 100.000 Lastenräder wurden im Jahr 2020 in Deutschland verkauft. Klingt zunächst nach viel, ist aber im Vergleich zu den über fünf Millionen Fahrrädern und E-Bikes, die im gleichen Zeitraum abgesetzt wurden, eher wenig. Mehr war offenbar nicht drin, obwohl seit vielen Jahren zig Bundesländer und Kommunen mit unterschiedlichsten Förderprogrammen den Kauf der Transport-Treter unterstützen.

 

Mal sind es maximal 3.000 Euro beim Neukauf wie in Baden-Württemberg, mal wird die Kaufprämie sogar noch um eine Abwrackprämie auf insgesamt 2.500 Euro aufgestockt, wenn der Lastenradfahrer künftig komplett auf sein Kfz verzichtet. Die Hansestadt Hamburg verfährt so. In Nordrhein-Westfalen wiederum können zum Beispiel Kommunen fünfmal im Jahr jeweils bis zu maximal 4.200 Euro als Zuschuss des Landes einstreichen, wenn sie eine städtische Lastenfahrrad-Kolonne auf die Straße bringen wollen. So kreativ geht es zu.

 

Und neben Ländern und Kommunen fördert auch der Bund bereits auf dem Weg über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Eschborn den Kauf neuer E-Lastenfahrräder und lastentauglicher E-Fahrradanhänger. Unternehmen, Kommunen, Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie Vereine und Verbände können sich durch die entsprechenden Richtlinien des Bundesumweltministeriums und die Antragsformulare des Bundesamtes kämpfen, wenn sie einen Zuschuss wünschen.

 

Städtische Wählerklientel im Blick

 

Die Grünen, die auf dieses vielschichtige Prämienprogramm noch einmal Tausend Millionen Euro packen wollen, haben entweder die Übersicht verloren oder zuvorderst ihre städtische Wählerklientel im Kiez im Blick. Denn ausgerechnet in der Hauptstadt Berlin haben die Verantwortlichen kürzlich entschieden, dass das städtische Zuschussprogramm für Lastenräder jetzt nur noch Gewerbetreibenden und Selbstständigen zugutekommen wird. Private Anschaffungen werden fortan nicht mehr gefördert. Mit einer bundesweiten Subvention nach dem Muster der Grünen wäre der Bürger in Kreuzberg finanziell allerdings wieder im Boot.

 

Ob das leise und flinke, aber gleichzeitig auch unpraktisch lange und breite Lastendfahrrad die Verkehrswende herbeiführen kann, darf man bezweifeln. Die Räder, die mit einem Elektroantrieb schnell so teuer sind wie ein Kleinwagen, kommen auf schmalen Radwegen daher wie Schwertransporter. Manche können es mit Zuladung auf ein Gewicht von über 200 Kilogramm bringen. Der Markt bietet unterschiedlichste Modelle mit bis zu vier Rädern an. Die Aufbauten haben oft mehrere hundert Liter Fassungsvermögen.

 

Auf dem Land wenig beliebt

 

Auf dem Land, so ergaben aktuelle Umfragen, gefällt den Menschen die Subventionierung eines Lastenfahrrads am wenigsten. Die Milliardenausgabe könnte man sich hier für andere Infrastrukturmaßnahmen vorstellen. Die Wege zu den Zielen sind in der Regel länger als in der Stadt, die Mobilität fußt vor allem auf dem Kraftfahrzeug. Und das von Annalena Baerbock und Co. angesprochene Kleingewerbe ist bis heute trotz zahlloser Fördertöpfe nur zu einem kleinen Prozentsatz auf das Lastenfahrrad umgestiegen. Hier trifft harte Realität auf grünes Wunschdenken.

 

Übrigens: In der Fahrradhauptstadt Münster haben die Grünen im Frühjahr gemeinsam mit der SPD und der Partei Volt das bisherige städtische Lastenrad-Förderprogramm für jedermann eingestellt. Man wollte eine Sozialkomponente einbauen, da die geförderten Transporter mit Elektroantrieb vor allem von wohlhabenden Bürgern bei der Fahrt zur Kita oder zum Kaufmann genutzt werden.

 

Jetzt heißt es wegen der Initiative der Bundesgrünen auf Ortsebene vorsichtig, dass man das städtische Fördergeld lieber in Maßnahmen für einen klimaneutralen Verkehr stecken möchte. Eine Kommune wie Münster könne nicht dauerhaft einen Kaufanreiz finanzieren, lautet die Argumentation. Aber sollte nicht genau diese Zurückhaltung eigentlich auch für den Bund gelten? 

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