Machtverlust in der Provinz

 

Von Michael Lehner 

 

Auch die CSU hat bei dieser Bundestagswahl mit 31,7 Prozent in Bayern gewaltig Federn gelassen. Aber mit einer Ausnahme alle Direktmandate gewonnen. Ihr Kapital sind fest im Wahlvolk verwurzelte Männer und Frauen. Doch dieses Kapital schwindet. Und Parteichef Markus Söder ist daran nicht unschuldig.

 

Im Prinzip haben die Probleme damit angefangen, dass das Erbe des CSU-Übervaters Franz Josef Strauß von seinen Nachfolgern auch als Bedrohung der eigenen Größe empfunden wurde. Während Strauß wie der Chef einer Talentschmiede für Politik-Nachwuchs wirkte, war Nähe zum Gründervater nach dessen Tod der CSU-Karriere eher hinderlich.

 

So hat Söder bei seiner Machtübernahme ein Personal-Tableau vorgefunden, in dem selbst Figuren wie der Noch-Verkehrsminister Andreas Scheuer unersetzlich scheinen. Und echte Leistungsträger wie der scheidende Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller das Handtuch werfen. Es ist schwer geworden, den Qualitätsanspruch als Markenzeichen der CSU zu verteidigen. Zugleich Söders Glück: Es fehlt an ernstzunehmenden Konkurrenten.

 

Das flache Land preisgegeben

 

Zweites Hauptproblem: Seit der CSU erzählt wurde, dass sich Wahlen nur noch in den großen Städten gewinnen lassen, hat die immer noch stolze Partei das flache Land nach und nach preisgegeben. Auch indem sie nicht auf ihre erfahrenen Platzhirsche in der Provinz hörte. Sondern eher nach den Tönen aus den großstädtischen Wohlfühl-Vierteln lauschte.

 

Ironie des Wahlsonntags: Ausgerechnet im Münchner Süden, also dort, wo die reichen Bayern besonders reich sind, haben die Grünen ihr erstes (und einziges) Direktmandat in Bayern geholt. Von der erfolgreichen Großstadt-Partei ist die Söder-CSU weiter entfernt als es die betont konservative Strauß-Partei je gewesen ist.

 

Die womöglich schwerste Zukunftsbedrohung bleibt die zunehmende Erosion auf dem Feld der politischen Urgesteine. Nicht nur richtig gute Bierzelt-Redner sind rar geworden in der Partei, die einst die Lufthoheit über den Stammtischen gepachtet hatte. Es fehlt auch an eigenständigen Köpfen wie dem früheren Wirtschaftsminister und Müllermeister Michel Glos, der in Ungnade fiel, weil er Ex-Parteichef Horst Seehofer den überstürzten Atomausstieg ausreden wollte.

 

Kaum noch Volksversteher

 

Bei den letzten Exemplaren der Gattung Volksversteher ist der Abstand zwischen (persönlichen) Erststimmen und Zweitstimmen für die CSU noch einmal größer geworden. Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer (der die Autobahn-Maut für keine gute Idee hielt) ist so einer. Und beklagt im „Spiegel“: „Wir müssen aufhören, Politik gegen die Menschen zu machen.“

 

Zu den Dingen, die Ramsauer in diesem Zusammenhang beklagt, gehört das von der Staatsregierung heftig unterstützte Bienen-Volksbegehren. Höchst erfolgreich in den großen Städten, aber vom Landvolk oft als Kampfansage verstanden. Wo doch zum Beispiel der Maisanbau für „Grünen Strom“ aus Biogas-Anlagen den Bienen kräftig zusetzt.

 

Alternativen für Konservative

 

Nicht ohne Grund beklagt Söder in solcher Gemengelage, dass die Freien Wähler große Mitschuld am Machtverlust der CSU tragen. Weil sie ungeniert im einstigen CSU-Stammrevier der ländlichen Räume wildern. Und nicht nur Landwirte, sondern auch sonstige CSU-Stammwähler davon überzeugen, dass es für Konservative mehr Alternativen gibt als die AfD-Partei. Die in Bayern – nebenbei bemerkt – auch durch die Freien Wähler klein gehalten wurde.

 

Fazit: Allein wird es die modernisierte CSU auch daheim in Bayern dauerhaft schwer haben. Nach Jahrzehnten der absoluten Mehrheiten ist sie nun (fast) wieder dort angekommen, wo Gründervater Strauß bei der Bundestagswahl im Jahr 1949 mit 29,2 Prozent begonnen hatte.

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