Die Macht der Bilder

 

Von Henning Röhl

 

Unlängst habe ich mir die Bilder wieder angesehen: Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst im Februar 2020 in Aachen. Ordensritter Armin Laschet in der Bütt – heiter und ironisch, gelassen und geistreich, fröhlich und locker. „Bedingungslose Verteidigung der Fröhlichkeit“ wird ihm vorher vom Sitzungspräsident attestiert. „Typisch rheinisch umarmt und integriert er“.

 

Heitere Bilder wurden am 20. Februar 2020 aus Aachen in die Welt geschickt. Ein überzeugender Preisträger. Er ist anders als die protestantisch geprägte, fast immer humorlos erscheinende Bundeskanzlerin. Auch deshalb wählte ihn die Mehrheit seiner Partei an die Spitze. Man versprach sich von ihm Integration und Versöhnung, Offenheit in Berlin und kein Aus-dem-Weg-räumen von vermeintlicher Parteikonkurrenz.

 

Bilder in bewegter oder fester Form, können in der Lage sein, Emotionen zu erzeugen und zu beeindrucken, sie können begeistern aber auch negative Eindrücke erzeugen und verfestigen. Jeder Marketingmensch weiß, es gibt „Schlüsselbilder“, die letztendlich für die nachhaltige Rezeption von Verbrauchern, Kunden – und auch Wählern von großer Bedeutung sind.

 

Handy-Foto ins Netz gestellt

 

In diesem Wahlkampf hat sich diese Erfahrung geradezu lehrbuchhaft bestätigt. Die Bilder vom lachenden Laschet am Katastrophenort, zufällig von einem Handy-Foto festgehalten und wenig später nicht ohne gezieltes Zutun des SPD-Generalsekretärs viral ins Netz gestellt, haben die gesamte Laschet-Kampagne nachhaltig beschädigt. Weit über eine Millionen User haben sie schon in den ersten Stunden danach angeklickt und waren unangenehm berührt.

 

Dabei ist dieses Lachen durchaus entschuldbar: Vorne redete der Bundespräsident, die Gruppe in der Laschet stand, verstand den Redner nicht, irgendjemand machte einen Scherz, und die Spannung, in der alle Anwesenden nach dem Besuch im zerstörten Ahrtal standen, entlud sich auf diese Art. Dass Laschet ein grundsätzlich fröhlicher Mensch ist, wurde ihm bei diesen Bildern zum Verhängnis.

 

Entschuldigungen nutzten wenig

 

Dabei hat sich der Kandidat immer wieder für diese Bilder entschuldigt. Es nützt ihm wenig. Die Bilder, die danach gezeigt wurden, zeigten ihn häufiger mit missmutigem Gesichtsausdruck, verunsichert wirkend, ohne Brille vom Regen zerzaust. Die TV-Nachrichten des öffentlich-rechtlichen Senders zeigen fast nur noch solche Bilder, den heiteren Laschet, den es natürlich auch noch gibt, haben sie bewusst in die Kiste verbannt. „Die Miene muss heiterer sein als die Lage“, hat der Philosoph Peter Sloterdijk einmal gesagt. Bei Laschet trifft dies zumindest in der öffentlichen Darstellung nicht mehr zu.

 

Während die demoskopische Kurve der Union immer weiter abwärts geht, steigt die der SPD in seit Jahren nicht mehr gekannte Höhen. Die bildhafte Erscheinung ihres Spitzenkandidaten ist keinerlei Schwankungen unterworfen. Wie ein Buddha lächelnd und scheinbar in sich ruhend, pariert Olaf Scholz alle Angriffe, Fährnisse und Widersprüche. Kein lautes Lachen, kaum Heiterkeit, sondern ein eher hintersinniges Lächeln - emotionslos zwar, aber so als hätte er immer noch einen im Sinn. Auch in seinen Äußerungen bleibt der Kandidat gemäßigt, nicht zu laut, nicht zu leise, stets in ruhiger Tonlage.

 

Skandale vergessen gemacht

 

Scholzomat wurde er einst genannt: er spult gestanzte Formulierungen ab und lässt so Skandale der Vergangenheit vergessen, wie zum Beispiel die Sicherheitslage beim G20-Gipfel in Hamburg, als Deutschland sich vor aller Welt blamierte, und wofür Scholz als damaliger Erster Bürgermeister der Hansestadt verantwortlich war. Auch die Tatsache, dass er als Finanzminister zum Ausgabenkönig wurde, seine Verantwortung im Wirecard-Skandal oder bei den Cum-Ex-Machenschaften in Hamburg.

 

Dass seine Partei Scholz nicht einmal zum Vorsitzenden wählen wollte und die Parteilinken sich während des Wahlkampfs nur zurückgenommen haben, spielt keine Rolle mehr.  Alles wird stoisch und lächelnd ignoriert. Offensichtlich reicht das, um Vertrauen zu schaffen und sich selbst zum Stabilitätsanker aufzubauen.

 

Durchgestyltes Erscheinungsbild

 

Der Dritten im Bunde, der Grünen-Spitzenfrau Annalena Baerbock, ist es gelungen, die gute demoskopische Ausgangslage für ihre Partei zu schmälern. Grund sind auch ihre Anfangsfehler, aber die nicht allein. Dabei ist sie immer adrett gekleidet, lächelt häufiger als grimmig zu schauen, reagiert in Stresssituationen relativ besonnen. Trotzdem trauen ihr Viele nicht zu, auch in globaler Verantwortung zu stehen. Wohl auch, weil ihr Erscheinungsbild zu wenig prägende Kanten und Narben - damit zu wenig gelebte Erfahrung – zeigt.

 

„Durchgestylte Politiker, die mit Zaubermitteln aus der Werbebranche arbeiten, um Popularitätswettbewerbe zu gewinnen, sind zu politischer Führung unfähig“, sagte unlängst SPD-Mann Ralf Stegner im Spiegel. Er bezog sich konkret nicht auf Baerbock sondern ihren grünen Widerpart Robert Habeck, zu dem er hinzufügte: „an dem ist nichts echt.“ Er lasse sich „fotografieren, während er seine Unterhosen bügelt“.

 

Frage des Vertrauens

 

Durchgestylt sind beide, Baerbock und Habeck. Doch während der Eine dabei nicht unglaubhaft und durchaus kompetent wirkt, vermittelt das Erscheinungsbild der Spitzenkandidatin längst nicht für Alle Vertrauen und Besonnenheit. Es ist damit mitverantwortlich für den zurzeit sinkenden demoskopischen Wert der so schrecklich Gutwilligen.

 

Bilder entscheiden nicht die Wahl – oder besser: sie tun es nicht allein. Sie prägen aber einen Wahlkampf – zumal im Zeitalter der Sozialen Medien, können Stimmungen verstärken, Sympathien oder Antipathien hervorrufen. Und damit auch Wahlentscheidungen beeinflussen.  Das wissen auch manche Medien zu gut. Entsprechend ist auch ihre Bildauswahl. 

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