Trauerfeiern im Wald

 

Von Henning Röhl 

 

Corona hatte viele Folgen und Auswirkungen. Auch das Bestattungswesen in Deutschland ist von der Pandemie nicht unberührt geblieben. Größere Trauerfeiern waren nicht gestattet, Beisetzungen in aller Stille, oft auch schon vor der öffentlichen Anzeige wurden die Regel.

 

Inzwischen sind auch wieder Trauerfeiern in angepasstem Rahmen möglich, aber Fachleute bezweifeln, dass sich der Trend zur „Beisetzung im Stillen“ wieder legen wird. Was in urbanen Räumen schon früher üblich war, hat nun auch auf dem Lande stark zugenommen: eine neue Bestattungskultur. Corona hat dabei stark beschleunigend gewirkt.

 

Schon vor zwei Jahren wurden nur noch 30 Prozent der Verstorbenen im traditionellen Erdgrab beigesetzt. Inzwischen dürfte dieser Prozentsatz beträchtlich gesunken sein. Wer heute über einen der traditionellen Friedhöfe geht, sieht dort, wo sich einst Grab an Grab reihte, immer größere Lücken. Die Folgen  „moderner“ Bestattungskultur werden sichtbar. Nicht nur weil die Urnengräber weniger Platz einnehmen. Viele Leute wollen überhaupt  nicht mehr auf den traditionellen Friedhof. Sie suchen sich etwa für ihre letzte Ruhe einen Baum im Ruheforst aus, unter dem ihre Urne liegen soll.

 

Gutes Geschäft für Seebestatter

 

Auch die Urnenbeisetzungen in so genannten Kolumbarien nehmen zu, ebenso die Seebestattungen. Für die Ausflugsreedereien an Nord- und Ostsee sind sie mittlerweile zu einem einträglichen Geschäft geworden. Es wurden längst berührende Rituale entwickelt, inklusive – falls gewünscht – einer Ansprache des Kapitäns. Seebestattungen sind übrigens keine Spezialität von Nord- und Ostsee.  Sie werden überall angeboten. Man kann die Asche der Hinterbliebenen zum Beispiel auch von einem Hafen Mallorcas aus oder an der adriatischen Küste zu Wasser lassen.

 

Galt früher einmal die Auffassung „für meine lieben Verstorbenen ist mir nichts zu teuer“, so wird im Zeichen der Versachlichung von Bestattungen auch mehr „gerechnet“. Die neuen Beisetzungsformen sind auf jeden Fall günstiger. Wer noch zu Lebzeiten bezahlt, profitiert davon, sonst die Hinterbliebenen. Nach Zahlen der Bestattungsbranche lagen die Durchschnittskosten für eine Erdbestattung vor zwei Jahren bei etwa 13.000 Euro. Der Vergleichswert für eine Feuerbestattung betrug gerade einmal 5.000 Euro. 

 

Die Kosten für einen Urnenplatz im Ruheforst schwanken, aber es ist zum Beispiel  möglich, einen Baumplatz für vier Urnen mit einer Belegungsdauer von 99 Jahren für etwa 1000,-- Euro zu erwerben.

Die etwa 5500 Bestatter  in Deutschland hatten vor zwei Jahren einen Jahresumsatz von etwa 2,1 Milliarden Euro.  Er dürfte wegen der Veränderungen bei den Bestattungsarten zurzeit eher stagnieren oder gar rückläufig sein.

 

Weniger kirchliche Bestattungen

 

Die Zahl aller Sterbefälle lag 2020 in Deutschland bei knapp einer Million. Für nahezu die Hälfte aller Verstorbenen gab es auch eine kirchliche Trauerfeier. Die Zahl der kirchlichen Bestattungen (katholisch oder evangelisch) ist auch in ländlichen Gegenden stark rückläufig. Vor Beginn der Epidemie lag sie bei etwa 50 Prozent, 15 Jahre davor noch bei 70 Prozent.

 

Immer weniger Geistliche begleiten also die Verstorbenen auf ihrem letzten Weg. Dafür hat die Zahl der Trauerrednerinnen oder Trauerredner beträchtlich zugenommen. Ihre Abschiedsreden und die von ihnen zelebrierten  Abschiedszeremonien sind erstaunlich professionell geworden. Trauerredner ist zu einem  neuen Berufsbild geworden, das sogar in Fernsehprogrammen seinen Niederschlag gefunden hat. Auf Netflix etwa läuft zurzeit die sechsteilige Serie „Das letzte Wort“. Anke Engelke spielt darin mit ihrem besonderen Comedy-Charme eine Trauerrednerin.

 

Es ist also kaum noch so, wie Theodor Fontane es einst über den verblichenen Herrn von Ribbeck dichtete, an dessen Trauerfeier sämtliche Einwohner von Ribbeck im Havelland teilnahmen: „Alle Bauern und Büdner mit ernstem Gesicht /Sangen Jesus meine Zuversicht.“ Selbst der alte Brauch, verstorbene Jagdfreunde auf dem Friedhof mit einem letzten „Halali“ und „Jagd vorbei“ zu verabschieden,  stirbt langsam aus.

 

Weil auch die Kirchen merken, dass ihre Dienstleistungen selbst bei Todesfällen immer weniger gefragt sind, schrillen bei ihnen die Alarmglocken.  Denn sie verlieren  Menschen (und Kirchensteuerzahler).

 

Kirche plant neue Ritualagentur

 

In Hamburg ist man deshalb in der evangelischen Kirche auf die Idee gekommen, eine „Ritualagentur“ zu gründen. Sie soll als Serviceagentur für Taufe, Trauung und Bestattung zur Verfügung stehen: „traditionell oder ganz anders, zum Beispiel die Trauung am See oder im Lieblingscafé, die Taufe im Garten oder in der Elbe, die Trauerfeier im Wald“. Die neue Ritualagentur soll im kommenden Frühjahr ihre Arbeit aufnehmen.

 

Ein Versuch also, mit anderen Methoden das langsame Verschwinden alter Bräuche in Stadt und Land aufzuhalten. Ob man so einen Trend ändern kann, erscheint zweifelhaft.

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