Acker statt Aktien

 

Von Jürgen Wermser

 

Nach jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts sind die Pachtpreise von 2010 bis 2020 deutschlandweit um durchschnittlich 62 Prozent gestiegen. Damit setzt sich ein Trend bei landwirtschaftlichen Immobilien fort, der viele bäuerliche Existenzen bedroht und negative Folgen für den ländlichen Raum insgesamt hat.

 

Die Politik sieht dieser Entwicklung bislang mehr oder minder hilflos zu. Seit der Föderalismusreform von 2006 sind die Bundesländer dafür zuständig, den Markt für landwirtschaftlichen Flächen zu regeln. Doch das Ergebnis ist bedrückend.

 

Ackerland wird in Deutschland zunehmend knapper. Landwirte, die ihren Betrieb vergrößern wollen oder müssen, stehen im Wettbewerb mit anderen Interessenten, die den Boden erwerben wollen. Und diese Konkurrenz ist häufig viel finanzkräftiger, so dass die örtlichen und aktiven Bauern das Nachsehen haben. Sie können keine Preise zahlen, die sich nicht aufgrund des Ertrags wirtschaftlich rechnen. Oder wie es ein Landwirt aus Brandenburg so treffend gegenüber dem Deutschlandfunk formulierte: „Landwirte sitzen nicht auf einem dicken Geldsack, gerade in den letzten Jahren nicht. Wenn ein Landwirt sich dazu entscheidet, ein Stück Land zu erwerben, dann ist es eine Generationenfrage. Dann überlege ich mir, wer führt den Betrieb fort und über wie viele Jahre kann ich mir leisten, das abzubezahlen.“

 

1,3 Millionen Hektar weniger

 

Nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) ging die Agrarfläche zwischen 1993 und 2017 um 1,3 Millionen Hektar zurück. Währenddessen stiegen die Kaufpreise für ein landwirtschaftliches Grundstück kräftig an. Dieses kostete 2005 noch im Schnitt knapp 8.700 Euro je Hektar, im Jahr 2018 waren es schon fast 25.500 Euro – ein Plus von 190 Prozent.

 

Landwirtschaftliche Flächen sind mittlerweile auch zu Spekulationsobjekten geworden. Über die Hälfte der Agrarfläche Deutschlands gehört laut BMEL bereits Nichtlandwirtinnen und Nichtlandwirten. Denn auf den traditionellen Kapitalmärkten sind die Renditen seit vielen Jahren niedrig oder riskant. Da drängt es viele Investoren verständlicherweise zu einem Gut, das als krisenfest und nicht vermehrbar gilt: Grund und Boden.

 

Ortsfremdes Management

 

Dies ist natürlich rechtlich erlaubt und kann unter Umständen auch gesamtwirtschaftlich sinnvoll sein. Denn solche Investitionen können in Einzelfällen durch frisches Geld fällige Modernisierungen ermöglichen und neue Ideen freisetzen. Beides würde die Entwicklung im jeweiligen ländlichen Raum positiv beeinflussen. Doch in vielen Fällen überwiegen leider die Nachteile. Das sind ein ortsfremdes Management und ferne Firmensitze, sodass Gewinne, Pachterlöse und Einkommen zumindest teilweise in städtische Regionen abfließen. Und ein Preisniveau, das aktiven Landwirten und solchen, die es werden wollen, Kauf oder Pacht praktisch unmöglich macht und ihnen so die Zukunft zu verbauen droht.

 

Es wird daher höchste Zeit, politisch gegenzusteuern und die Ziele des landwirtschaftlichen Bodenmarktrechts wieder flächendeckend durchzusetzen: Schutz von Ackerland vor Spekulationen und Vorrang für Landwirte beim Erwerb von Flächen. Es sollten Regulierungslücken - etwa beim Kauf von Betriebsanteilen statt Flächen - geschlossen, Umgehungsmöglichkeiten beseitigt sowie mehr Einfluss und Transparenz zugunsten aktiver, ortsansässiger Landwirte geschaffen werden - egal, in welcher Unternehmensform sie wirtschaften wollen.

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