Eine Kampfansage an den Traditionsforst

 

Von Michael Lehner

 

Ein paar Wochen nach der Bundesregierung zelebriert Peter Wohlleben seinen eigenen Waldgipfel. Bundesforstministerin Julia Klöckner von der CDU reagiert genervt. Ihre Kabinettskollegin Svenja Schulze von der SPD spricht als Bundesumweltministerin das Grußwort. Robert Habeck von den Grünen hält das Einführungsreferat. Und neben viel Kritik an der Forstwirtschaft gibt es auch Experten, die den Waldbesitz in Schutz nehmen.

 

Ansonsten müsste die Veranstaltung die Forstpartie erregen: Diplom-Forstwirt Wohlleben spricht seiner Zunft nämlich schlicht und ergreifend die Kompetenz ab, wenn es darum geht, den Wald im Klimawandel zu retten. Er empfiehlt, einfach nichts zu tun und den klimagerechten Waldumbau der Natur zu überlassen. Totes Holz zum Beispiel stehen lassen, damit es Humus schafft, auch als Wasserspeicher gegen Jahrhundert-Fluten. Was in der Folge logisch bedeutet, dass sich der Steuerzahler die Milliarden sparen könnte, die der Bund in die Wälder stecken will.

Die Förster-Wut entlädt sich in der Kommentarspalte zum Tagungsvideo.

 

Verteidigung der grünen Fakultät liefert in Ansätzen sogar der Grüne Habeck: Schließlich habe die Forstwissenschaft den Begriff der Nachhaltigkeit erfunden. Ihre Aufgabe könne sich auch heute eben nicht darauf beschränken, „Naturwälder zu schaffen“. Der Mann hat wohl verstanden, dass die Menschheit Holz braucht. Zum Beispiel um ökologisch sinnvolle Häuser zu bauen, die auch die Kanzlerkandidatin der Grünen prima findet.

 

Umweltministerin Schulze lässt nicht nur das Videobild der Tagung einfrieren. Die Forstwirtschaft, verkündet sie, habe „keine zukunftsorientierte Lenkungswirkung“. Mit 1,5 Milliarden Euro Corona-Hilfen für die Branche sei überwiegend das Rentabilitätsdenken gefördert worden, nicht der Klima-Wald. Die Bundeslandwirtschaftsministerin richte den Focus zu einseitig auf die Waldbesitzer. SPD und Grüne seien da schon viel weiter gewesen, bevor die CDU an die Regierung kam.

 

Der Gastgeber erteilt Schuldzuweisungen mit Schlagworten wie „Fichten-Plantage“ besser als die SPD-Ministerin. Zumindest, was die Ökonomie angeht, ist Wohlleben ja auch ohne Staatsknete zweifellos Deutschlands erfolgreichster Förster. Nicht nur wegen seiner Bestseller-Bücher, die Kollegen als Esoterik abtun. Sondern auch mit seiner „Waldschule“, einem Familienunternehmen, in dem sich Welterklärer wie Markus Lanz und Hannes Jaenicke öffentlichkeitswirksam die Klinke in die Hand geben.

 

Mit dem aktuellen Treffen dürfte sich der Kreis derer, die von der Win-Win-Situation der öffentlich-rechtlichen Selbstdarstellung profitieren, noch erweitern: PETA, sonst um jedwedes Tierleben besorgt, sitzt mit in der Runde um vermehrten „Bambi-Mord“. Die Konkurrenz von WWF und NABU trommelt schon länger gegen die Regierungspläne, den Wald weiterhin und überwiegend der traditionellen Forstwirtschaft zu überlassen – und ist logisch auch dabei beim Waldgipfel in der Eifel.

 

Luisa Neubauer, Deutschland-Statthalterin der schwedischen Klima-Greta, darf lange reden. Im Dialog mit Wohlleben sagt sie viel Unbestreitbares. „Der Wald stirbt ja leise“, zum Beispiel. Oder dass es fürs Klima nicht reicht, beim Einkauf auf irgendwelche Öko-Etiketten zu achten. Nötig sei Verzicht, nicht umweltbewegtes Komfort-Wachstum. So, wie´s jetzt läuft, finde sie den Blick aufs Jahr 2080 „ganz, ganz gruselig“.

 

Am Nachmittag streiten echte Experten der verschiedenen Forst-Denkrichtungen um die Zukunft. Man prügelt sich in zivilisierter Wortwahl. Dass es dem Wald ohne Förster besser ginge, sagt in diesem Kreis niemand. Eher geht’s um den Mut, vermehrt Flächen nicht aufzuforsten. Oder darum, Buche und Eiche nicht zum Allheilmittel zu erklären. Sondern auch mal Birken oder Vogelbeeren wachsen lassen. Oder die Kiefer und sogar die Fichte an geeigneten Standorten nicht verteufeln.

Für einen Förster, sagt einer der Professoren, sei es womöglich leichter als für Privatwaldbesitzer, „auf fremdem Boden“ Neues auszuprobieren. Womit indirekt zugegeben wird, dass sich der Wald in Zukunft ökonomisch wie ökologisch auch rechnen muss – auch als Klimaretter. Irgendwie muss sich der Wald wohl immer rentieren, um den Menschen Geld wert zu sein.

 

Begehrlichkeiten gibt es schon reichlich: „Ministerin Klöckner muss alle gesellschaftlichen Gruppen am Prozess beteiligen und nicht nur die Interessen der Holz- und Forstwirtschaft betrachten,“ hat der NABU im Juni des Jahres die Konkurrenzveranstaltung der Forstministerin kommentiert. Der WWF wurde mit Kritik an staatlicher Förderung der traditionellen Forstwirtschaft noch deutlicher: „Dabei sollten nur Leistungen honoriert werden, die den ökologischen Zustand des Waldes verbessern oder erhalten. Alles andere ist ein steuerfinanziertes Wahlgeschenk kurz vor der Bundestagswahl im September.“

 

Der Deutsche Jagdverband ist am Rande auch vertreten – trotz heftiger Kritik aus dem Mitgliederkreis. „Das Reh der neue Borkenkäfer“ lautet ein Untertitel der Tagung, der die Waidmänner und -frauen wütend macht. Weil sie – wie ein Teil der Tierschutz-Szene – nicht durchgehen lassen wollen, dass der Kampf um den notleidenden Wald auf dem Rücken der heimischen Tierwelt ausgetragen wird. Aber Wohlleben und ein Großteil seiner Kollegen sind sich wenigstens in der Forderung nach radikalem Schalenwild-Abschuss ausnahmsweise einig.

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