Der Wald steht schwarz und leidet

 

Von Wolfgang Molitor

 

Der Windkraft ist im ersten Halbjahr 2021 die Luft ausgegangen. Ökostrom aus erneuerbaren Energien macht nur noch 43 Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland aus. Weniger als im Vorjahreszeitraum. Weil vor allem das erste Quartal ungewöhnlich windstill und arm an Sonnentagen war, ist vor allem die Windenergie auf See und an Land nach Angaben des Zentrums für Sonnenenergie und Wasserstoff Baden-Württemberg sowie des Bundesverbands Energie und Wasserwirtschaft spürbar gesunken.

 

Die baden-württembergische Umweltministerin Thekla Walker präsentiert auch deshalb einen gewagten wie (angesichts von bisher - nach über zehn Jahren einer von den Grünen angeführten Landesregierung - realisierten 735 Windkraftanlagen) ambitionierten Plan, im Südwesten mit 1000 neuen Windrädern Puste zu geben. Denn auch bei den Grünen kommt man zu dem Ergebnis: An der Wind-Front herrscht Flaute.

 

Viele Bürgermeister schütteln den Kopf

 

Walkers Plan ist einfach und soll für Tempo sorgen. Sie will 500 Anlagen in den Staatsforst bauen, hinein in jenen insgesamt rund 1,3 Millionen Hektar großen Wald, der zu 23,6 Prozent Landeseigentum ist. Doch so hopplahopp lässt sich die angestrebte Zahl wohl nicht umsetzen. Grundsätzlich steht die Anzahl an sogenannten windhöffigen Flächen im Staatswald zwar zur Verfügung. Das räumt auch das von der CDU geführte Forstministerium ein. Aber es gibt große Fragezeichen, ob am Ende tatsächlich 500 Windräder möglich sind. Vor allem Städte und Gemeinden müssen mitziehen. Gerade im Schwarzwald aber schütteln viele Bürgermeister den Kopf. "Unvertretbar" in einer der beliebtesten Urlaubsregionen sei Walkers Vorstoß, sagt etwa der Triberger Bürgermeister Gallus Strobel, zumal auf der anderen Seite der Landesgrenze im Elsass kein einziges Windrad stehe. Folge: Triberg verfolgt seit 20 Jahren mit Erfolg das Ziel, den Ort frei von Windkraft zu halten. Ähnlich sehen es seine Kollegen im Gourmet-Hotspot Baiersbronn und in Hinterzarten. Auch dort wird befürchtet, dass viele Gäste negativ auf die Veränderung des Landschaftsbildes reagieren und wegbleiben.

 

Gegenwind bekommt Walker selbst aus eigenen Reihen von Umweltschützern. Auch wenn sich die Lage des Waldes nach einem relativ feuchten und kühlen Frühjahr (auch was den Borkenkäferbefall betrifft) etwas verbessert hat: Die Grundwasservorräte sind seit 2018 nicht wieder aufgefüllt. Ein paar niederschlagsreiche Monate können die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels nicht kompensieren.

 

„Wir sind ein überbürokratisiertes Land“

 

Auch die Umweltschützer fordern daher, zunächst die für viele Flächen bestehenden Restriktionen für den Artenschutz zu analysieren. Standorte müssten dann in einem Genehmigungsverfahren geklärt werden. Das kostet Zeit, die selbst den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann in Rage bringt. Momentan brauche man nach Aussagen von Projektplanern sieben Jahre von der Projektidee bis zur Windpark-Realisierung, zürnt Kretschmann. Das sei viel zu lang: "Wir sind eben ein überbürokratisiertes Land." Deshalb sollen sich bald im Staatswald, der rund zehn Prozent der Gesamtfläche Baden-Württembergs ausmacht, die Windräder drehen - ohne große Mitsprache von Kommunen und anderen Stellen. Kretschmanns Credo: "Wir müssen besser werden. Möglicherweise mit einem eigenen Planungsgesetz. Sonst fallen wir im globalen Maßstab zurück." Auch Forstminister Peter Hauk sagt: "Wenn wir bei den Planungsauflagen und den Genehmigungsverfahren im Bereich Arten- und Naturschutz keine Beschleunigung und Erleichterung hinbekommen, hilft uns auch ein rasches Verpachten nichts." Da also ist sich Grün-Schwarz einig.

 

Die Grünen tun sich mit den Umweltschützern schwer

 

Dass ausgerechnet die Grünen sich dabei mit den Umweltschützern schwertun, ist bemerkenswert. Zwar gibt es bereits 85 Windanlagen im Staatswald, aber das Landesumweltamt weist darauf hin, dass 24 Vogel- und 18 Fledermausarten als "windkraftempfindlich" gelten, sie also durch die Rotorblätter besonders gefährdet sind. Hinzu kommt, dass für jede Anlage durchschnittlich 0,5 Hektar Fläche benötigt wird. Bei 500 Anlagen sind das 350 Fußballfelder. Bei der Bauphase werden zudem nochmals zwischen 0,2 und 0,4 Hektar an Waldfläche benötigt (auch wenn diese später wieder aufgeforstet werden muss).

 

Noch stehen Walkers ambitionierte Vorgaben auf dem Papier. Und das ist auch in Baden-Württemberg geduldig. So bleibt es wohl erst einmal dabei, dass der Wald auch im Südwesten mehr ökologisches Sorgenkind bleibt als energiepolitisches Zukunftsareal wird. Ganz nach jenem Text von Matthia Claudius, der heute ein wenig umgedichtet werden müsste: Der Wald steht schwarz und leidet. Zeilen für ein Schlaflied, wie man weiß.

 

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