Die Spritpreispolitik als soziale Frage

 

 

Von Jost Springensguth

 

Wir erleben eine Abstimmung auf Rädern. Der ADAC meldet in dieser Zeit Staus in nicht bekanntem Maße, und Prognosen für die Sommerferien sind noch schlimmer. Eineinhalb Jahre Beschränkungen und Einengung der Freizeitgestaltung auf die eigenen vier Wände lassen den Drang nach draußen explodieren. In Wahlkampfreden und Diskussionen hören wir ein Wechselbad zwischen düsteren Coronaprognosen in der Delta-Variante und der Aussicht auf Herdenimmunität und Reisefreiheit. Das zweite Thema ist Autofahren und Spritpreise.

 

Zu Jahresbeginn wurden gleichzeitig die CO2 Preiserhöhungen für Kraftstoffe wirksam und nebenbei noch die Mehrwertsteuer wieder angehoben. 2020 lag der Durchschnittspreis für den Liter Super bei unter 1,30 Euro. Aktuell sind infolgedessen 20 Cent mehr üblich. Und die Mineralölkonzerne drehen auch an der Preisschraube, weil die Barrelpreise für Rohöl stark schwanken: im letzten Frühjahr lagen sie noch unter 20 Dollar und nun aktuell stabil über 70.

 

Noch bewegen sich die Autofahrer offensichtlich unterhalb der Schmerzgrenze, das Auto für die Freizeitgestaltung stehen zu lassen. Das mag nicht nur die grüne Kanzlerkandidatin ermutigen, den Menschen schon 2023 eine weitere Erhöhung der Spritpreise um 16 Cent zuzumuten. Die Union nimmt die Steilvorlage auf ihre Art auf. Fraktionschef Ralph Brinkhaus sagt: „Benzin wird teurer, jetzt ein bisschen, in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts wird es richtig teurer“. Recht hat er mit seiner Meinung, dass es den Klimawandel nicht umsonst gibt. Es geht nach dem Beschluss der Bundesregierung zum Klimaschutzprogramm darum, die Treibhausgase zu minimieren und die Klimaziele zu erreichen.

 

Ängste von Betroffenen nehmen zu

 

Die Frage ist nur, wie diese Rechnung auf die Menschen in unserem Land und ihre unterschiedlichen Betroffenheiten aufgeteilt wird. Neben den Warnungen aus der Wirtschaft, dass mit den bekannten Prognosen Gefährdungsgrenzen für Arbeitsplätze und Einkommenssicherheit überschritten werden, sind zunehmend Ängste von denen zu spüren, die nicht Autofahren wollen, sondern müssen. Die Antwort der CDU, dann muss eben die Pendlerpauschale angehoben werden.

 

Wer jetzt schon mit dem Auto zur Arbeit fährt, weiß, dass das nur eine halbe Rechnung ist. An der Tankstelle wird der volle Preis gezahlt, verrechnet wird nur der Teil der Steuerbelastung. Und wer auf dem Land wohnt, vom Auto abhängig ist, als Rentner oder in einer sozial schwach aufgestellten Familie lebt, bleibt mit seinem Beitrag zur Klimaneutralität abgehängt.

 

Bei den Grünen überraschen Prognosen in der Preisschraubenpolitik zur Mobilität nicht. Olaf Scholz klagt schon bei sechs Cent über die Preisschraube. Bei mancher Äußerung aus der Union sieht das schon anders aus. Dort ist man dabei, sie offensichtlich zu überdrehen. Jedenfalls empfinden das viele Menschen so: Nach dem ARD-Deutschlandtrend Anfang Juni können 75 Prozent der Deutschen die Benzinpreiserhöhung offensichtlich nicht nachvollziehen und lehnen sie ab. 

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