Bauerndemo: „Man muss auch Geld verdienen dürfen“

Zunächst ein heftiges Wortgefecht, zum Schluss aber weitgehend Einigkeit. Auf der Agrarminister-Konferenz in Kiel ging es hoch her

Der Treckeraufmarsch legte den Verkehr in der Landeshauptstadt teilweise lahm. (Foto: privat)
Der Treckeraufmarsch legte den Verkehr in der Landeshauptstadt teilweise lahm. (Foto: privat)

 

Von Jürgen Muhl

 

Der Lokalmatador legt kräftig vor. „Herr Minister Özdemir, beteiligen Sie sich endlich an Lösungen. Tun Sie was.“ Der schleswig-holsteinische Bauernpräsident Klaus-Peter Lucht übt bereits heftige Kritik an Bundesagrarminister Cem Özdemir, bevor die Agrarministerkonferenz in Kiel beginnt. Draußen am Kieler Ostseehafen sorgen über 1000 Landwirte mit Gehupe, Transparenten und lauten Rufen für die notwendige Begleitmusik. Das war eine Bauerndemonstration, die bundesweit Wirkung entfaltete. Es geht hoch her bei diesem Treckeraufmarsch, der den Verkehr in der Landeshauptstadt teilweise lahmlegt.

 

Aber auch hinter den Kulissen im Tagungshotel wird Tacheles geredet, wie Teilnehmer berichten. Bauernchef Lucht hatte mit seinem rauen Ton die Ministerrunde in einen hellwachen Zustand versetzt. „Herr Özdemir betreibt Klimapolitik für seine grünen Wähler. Der ländliche Raum ist ihm egal und die Landwirtschaft ist ihm schon dreimal egal. Das nervt uns.“ Präsident Lucht vermisst beim Bundesagrarminister „eine Politik, die von der Gesellschaft getragen wird“. Der Kritik schließt sich auch Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus an. Was überrascht, gehört Backhaus doch der SPD an. „Artenvielfalt, sauberes Wasser, Klimaschutz – dass man da mehr tun muss, haben alle in der Landwirtschaft verstanden. Aber man muss es auch in die Produkte einpreisen und Geld verdienen dürfen“, rüttelte Backhaus die Runde auf. 

 

Özdemir stand ziemlich allein. „Er bekam Feuer von allen Seiten“, hieß es am Rande der obligatorischen Herbsttagung, zu der alle Länderminister aus dem Ressort Landwirtschaft und die führenden Köpfe aus den Bauernverbänden nach Kiel gekommen waren. „Die Landwirtschaft macht Angebote und ist bereit, auf Wünsche der Gesellschaft zu reagieren. Dafür brauchen wir die Unterstützung der Politik und keine Blockadehaltung, wie wir sie derzeit im Berliner Agrarresort wahrnehmen“, sagte Lucht. Gesellschaftlich breit getragene Lösungen lägen mit den Ergebnissen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung („Borchert-Kommission“) und der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) auf dem Tisch, würden aber nicht umgesetzt. „Stattdessen setzt Berlin auf Ordnungsrecht“, stellt Lucht fest und mahnt Minister Özdemir: „Mit Ordnungsrecht löst man keine Krisen, schafft nicht mehr Tierwohl und sichert keine heimische Lebensmittelproduktion. Wenn der Bundeslandwirtschaftsminister so weitermacht, werden die Agrarprodukte künftig woanders herkommen – aber zu anderen Sozial- und Umweltstandards als bei uns. Das ist Verbrauchertäuschung“, wetterte der Bauernpräsident aus dem Norden. 

 

Es geht um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse

 

Auch der Gastgeber der Konferenz, Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) legte seine übliche Zurückhaltung ab und richtete heftige Kritik in Richtung Berlin: Es sei ein Unding, dass die Bundesregierung 300 Millionen Euro für die Gemeinschaftsaufgabe Agrar und Küstenschutz streichen wolle. Das sei gleichbedeutend mit dem Aus für zahlreiche Förderprogramme im ländlichen Raum. Mit der gebotenen Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zwischen Dorf und Stadt sei das nicht vereinbar, sagte Schwarz.

 

Nach dermaßen viel Kritik zeigte der Bundesminister Einsicht. Özdemir gibt in einige Punkten nach. Özdemir trägt die Forderungen beim Tierwohl mit, will mehr als die bisher lediglich für Schweine angekündigte Milliarde herausholen. Zudem sind sich die Agrarminister darüber einig, dass der Bund das Budget für die Agrarstruktur und Küstenschutz nicht reduzieren dürfe. Der ländliche Raum müsse weiter ausreichend gefördert werden, heißt es in der Runde. Özdemir spricht zum Schluss von einer „äußerst konstruktiven Konferenz“. Der grüne Spitzenpolitiker lobt gar die Bauern-Demo. „Die Landwirte haben uns daran erinnert, dass wir das hier alles nicht für uns machen.“ Was den schleswig-holsteinischen Bauernchef jedoch noch nicht überzeugt. „Warten wir ab, was dabei herauskommt“, zeigt sich Klaus-Peter Lucht skeptisch.

 


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