Von Stränden, Wohnungsbau und Landtagswahlen

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

Liebe Leserinnen und Leser unseres Politblogs,

 

in Deutschland locken herrliche Strände, wunderschöne Landstriche, einladende Mittelgebirgsregionen oder faszinierende Alpenerlebnisse als Urlaubs- und Erholungsziele. Es darf dennoch auch mal was anderes sein: Zwischen den Beton- und Fensterburgen der großstädtisch entwickelten Hafen- und Bädermetropolen Oostende, Zeebrügge und Knokke liegt an der belgischen Seeseite ein traumhafter kilometerlanger Strand. Zwischen den genannten Städten mit ihren Hochhauspromenaden gibt es mit dem dörflichen, aber quicklebendigen De Haan so etwas wie ein zurückgebliebene malerische Küstengemeinde. Dort ist ein anderes und besonderes Stadt-Land-Gefälle zu erleben, das im Unterschied zu der Schere zwischen Ballungsmetropolen und den dünn besiedelten Regionen steht, mit der wir uns ansonsten bevorzugt politisch und kommentierend in unserem Blog beschäftigen. 

 

Jost Springensguth
Jost Springensguth

De Haan hat knapp 13.000 Einwohner, nach beiden Seiten mehr als zehn Kilometer Strand, hinter den herrlichen Dünen verläuft eine „Küstenstraßenbahn“. Das ist einfach alles einladend und zugleich mit einer vorbildlichen Infrastruktur gesegnet. Wenn man nach einigen Tagen Urlaub aus dieser Idylle zurückgekehrt ist, kommt beim Rückblick auf die politische Woche in der Heimat auch so etwas wie Sehnsucht nach etwas mehr heiler Welt auf. Davon sind wir in Deutschland und gerade in diesen Tagen mit unserer politischen Wirklichkeit und auch mit Blick auf die Belange der ländlichen Regionen weit entfernt. Noch einmal zurück zu einer anderen Schilderung in der Zeitschrift GEO über die erlebte Küstengemeinde mit dieser Formulierung „Weiße Pracht am Meer“. Und dann heißt es weiter im Text: „Schließlich machen die Investoren wegen des Verbots von gewinnbringenden Hochhäusern einen Bogen um De Haan.“

 

Das kann man sich dort leisten, bei uns nicht. Das Bild erinnert irgendwie an Formulierungen, die wir aus der Bauwirtschaft hören: Öffentliche und private Investoren machen bei uns einen Bogen um die politisch versprochenen Programme zum Wohnungsbau. Das Ziel der Ampel-Regierung, 400.000 Wohnungen jährlich neu zu bauen, wird in diesem Jahr weit verfehlt. So sieht kein politischer Verlässlichkeitsbeweis aus. Vielleicht werden es knapp 280.000 werden. 

 

Sozialpolitisches Klumpenrisiko in Beton?

 

Alles bleibt weit weg von dem, was die Bauministerin versprach. Und was da entsteht, sind Wohnungsballungen in großen Einheiten. Damit kann man zwar ein Mengenproblem in der Nachfrage angehen, nicht aber dem aus dem Weg gehen, was wir aus der Zeit der gewerkschaftseigenen Neuen Heimat als sanierungsbedürftige Hinterlassenschaft immer noch haben. Hochhaussiedlungen wie in Kiel-Mettenhof, Neue Vahr Bremen, Ratingen-West oder Neuperlach sind Bauklötze voll anhaltender gesellschaftlicher Probleme. Es bleibt strukturell bedingt, dass soziale Brennpunkte mit all ihren Folgen weiterwirken, weil niemand dafür gesorgt hat, dass eine stimmige Sozialstruktur mit kommunalen Einrichtungen geplant wurde. Man könnte das analog der Banksprache (Klumpenrisiko bei Krediten) hier bei Neuplanungen auch als drohendes sozialpolitisches Klumpenrisiko in Betonhäufungen bezeichnen. Dann, wenn die verdichteten Wohnbauprogramme durchgezogen werden.

 

Wenn ich gleichzeitig erlebe, dass die linksgrüne Mehrheit im Rat in einer als bürgerlich geltenden Stadt wie Münster keine Grundstücke zur Einzelhausbebauung mehr zulassen will, dann sind mit Sicherheit negative Folgen auf die weitere Strukturentwicklung zu erwarten. Gerade in den letzten Wochen mehren sich Meldungen über Untersuchungen, wonach immer mehr junge Familie ihre Zukunft in einem Eigenheim suchen. Sie blicken dabei aufs Land, wenn es in der Stadt eng und teuer wird. „Die Pandemie hat dem Wunsch nach einem Häuschen im Grünen einen weiteren Schub verpasst“, schrieb unser Autor Jürgen Muhl schon im April des letzten Jahres in diesem Blog

 

Auch Christian Urlage berichtete bereits vor zwei Jahren über „Die neue Landlust als Aufgabe für die Politik“. Dem kommt unsere aktuelle Wohnungsbau- und Strukturpolitik überhaupt nicht nach!

 

Eine andere Sicht auf die Landtagswahlen in Bayern und Hessen

 

Am 8. Oktober wählen die Bayern und die Hessen ihren neuen Landtag. Dann werden wir nebenbei auch das Kontrastprogramm Söder – Faeser mit ihrer jeweiligen bundespolitischen Ausstrahlung erleben. Der Bayer spiegelt seine Landespolitik an dem, was die Ampel und insbesondere dabei die Grünen als politisches Modell gerade realisieren. Er verbindet seine Bayernthemen mit einer knallharten Oppositionsstrategie mit Blick auf Berlin. Nancy Faeser ist dort Innenministerin und führt zugleich den Landtagswahlkampf für die SPD um das Amt einer Ministerpräsidentin in Wiesbaden. Damit wirbt sie bei Landesthemen aus der Opposition heraus um die Stimmen in Hessen und wird als Regierungsmitglied mit für das geradestehen, was die Ampel abliefert. Das gilt besonders für die von ihr zu verantwortende Migrationspolitik. Unter diesem Blickwinkel könnte man am gemeinsamen Wahlabend der Bayern und der Hessen die Ergebnisse dann auch einmal abgleichen. 

 

Wenn wir schon mal wieder auf Bayern blicken, so lassen dort die Grünen aufhorchen: Unser Autor Michael Lehner (Bayer, erfahrener Landeskorrespondent, Angler & Jäger) beschäftigt sich gerade wieder einmal mit dem Thema, wie wir es mit den Wölfen halten, deren Population sich von Rudel zu Rudel weiter potenziert. Das Problem wird langsam auch von Menschen ernst genommen, die meinten, man könne diese Art unbefristet unter besonderem Schutz halten. Direkt nach Pfingsten erscheint bei uns sein Beitrag über den Beschluss auf dem Landesparteitag der bayerischen Grünen, Ausnahmen vom strikten Schutz der zugewanderten Wölfe dort zuzulassen, wo die Almbauern einen wirksamen Herdenschutz mit vertretbarem Aufwand nicht realisieren können. Erste Einsicht kommt spät – hoffentlich aber nicht zu spät.

 

Weiter Ampeleien in Berlin

 

Ja, manchmal spüren wir es auch, wie wir in Berlin regiert werden. Man könnte auch sagen: Die Ampeleien gehen weiter. Die Grünen wollen erst mit und später ohne Rücksicht auf Verwandte und Freunde ihre Themen durchpeitschen. Ihr Label „Klimapolitik“ bekommt aber breite Risse. Gestern hat der nicht mehr ganz so beliebte Wirtschafts- und Energieminister erste Zugeständnisse bei seinem Heizungsgesetz angedeutet. Also nicht mehr mit der Brechstange zum 1. Januar nächsten Jahres, sondern vielleicht auch schrittweise: Man könnte erst einmal zu diesem Termin mit dem Umstieg für Neubauten anfangen – und dann gestaffelt weiter. Das scheint ein Zugeständnis an die Opposition in den eigenen Regierungsreihen sein. So jedenfalls führt sich zunehmend die FDP auf und spielt mit Lindner und Wissing so etwas wie die marktwirtschaftlichen Tugendwächter in der ansonsten mehr rot-grün leuchtenden Ampel. Und der Regierungschef bleibt stoisch gelassen, wenig sagend, obwohl er die Richtlinien der Politik bestimmen soll. Seine SPD hat sich in dieser Woche mit ihrem Jubiläum mehr nach innen gewandt, ihre große 160-jährige Geschichte seit Lassalle gefeiert und dabei jüngere Kanzlerkapitel und Regierungsbeteiligungen weitgehend ausgeklammert. Das Parteimitglied Schröder fand schon gar nicht statt. Irgendwie war da keine strahlende Regierungspartei zu erkennen; allenfalls fiel in der bescheidenen Medienbegleitung ein gedimmtes Licht auf die älteste Partei im Lande und die größte in der Ampel.

 

Dort ist es wiederum Robert Habeck, der aktuell auch als Wirtschaftsminister schlechte Zahlen zu verkraften hat. Jetzt reden wir nicht über die Demoskopie, sondern über das Bruttoinlandsprodukt und das ifo-Geschäftsklima. Deutschland befindet sich nun im zweiten Quartal in einer leichten Rezession. Dabei spielt die unverändert hohe Inflationsrate von 7,2 Prozent eine große Rolle. Das alles sollte dazu anregen, politisch einmal innezuhalten, auch wenn über dem Koalitionsvertrag steht: „Mehr Fortschritt wagen“. Bei der Konjunktur sollten Kanzler, Wirtschafts- und Finanzminister aufs Gaspedal und Sozial-, Landwirtschafts- und Innenminister(in) etwas mehr auf die Bremse treten. 

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein sonniges Pfingstwochenende, nach dem es dann nach allen Sonnenfreuden gelegentlich mal wieder auch regnen darf. Wir alle haben die Frühjahrs- und Sommerdürre des vergangenen Jahres in Erinnerung. Gleichwohl kann man mal die Feiertags-Muße zur Beantwortung der Frage nutzen, ob man die alles überstrahlende Klimapolitik vielleicht auch mit etwas weniger Hektik betreiben kann. 

 

Ihr

Jost Springensguth

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