Den Grünen geht die Mitte verloren

Solange es an Öko-Strom fehlt, ist die Eile bei der Heizungsmodernisierung eine teure Augenwischerei

Gruppenbild aller grünen Bundestagsabgeordneten der 20. Wahlperiode. (Foto:  Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Kaminski)
Gruppenbild aller grünen Bundestagsabgeordneten der 20. Wahlperiode. (Foto: Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Kaminski)

 

Von Michael Lehner

 

Die Grünen sind längst eine ganz normale Partei geworden. Sie sorgen sich nicht nur um die Umwelt. Sondern auch darum, dass ihre Politik weder Großkonzerne noch soziale Großstadt-Randgruppen überfordert. Auf der Strecke bleiben so oft die Mittelschicht und der ländliche Raum.

 

Folglich müssen es die Grünen aushalten, dass das Bildungsbürgertum seine bisher oft bedingungslose Sympathie hinterfragt. Der im Volksmund Heizungsgesetz genannte Versuch, das Klima hauptsächlich auf Kosten einer durchaus ökobewegten Mittelschicht zu retten, ist nur ein Beispiel für das Dilemma: Die Ampel-Sorge gilt hauptsächlich der Befürchtung, dass Vermieter die Kosten für die Heizungswende auf sozial schwache Mieter umlegen. Und zugleich plant die Koalition einen ebenfalls aus Steuergeldern subventionierten Dumping-Strompreis für industrielle Großverbraucher.

 

Zur sozialen Schieflage, die der sonst gern gelobten Mittelschicht droht, kommt im Heizungsfall ein kapitaler Denkfehler. Die Erwartung, dass die umweltfreundlichen Wärmepumpen noch über Jahre mit Strom aus importierten Fracking-Gas oder gar Braunkohle betrieben werden (müssen) ist real. Die Menschen werden also im überstürzten Eilverfahren zu Investitionen gezwungen, die auf mittlere Sicht dem Klima nur wenig helfen.

 

Wie entwickeln sich die Preise für die Mangelware Wärmepumpe?

 

Zugleich sorgt die Ankündigung großzügiger Subventionen dafür, dass das deutsche Preisniveau für die Mangelware Wärmepumpe durch die Decke geht. Vergleichbar mit dem satten Zuschuss für Elektro-Autos, die weltweit meist günstiger zu haben sind als hierzulande. Und die erst dann der Umwelt richtig helfen, wenn tatsächlich ausreichend „Grüner Strom“ verfügbar wäre.

 

Die Realität sieht anders aus: Während es das Wirtschaftsministerium schaffte, Gas-Terminals in Rekordzeit durchzusetzen, geht es bei der Wende zur erneuerbaren Energie weiter nur schleppend voran. Und pikanterweise kommt der Widerstand gegen Windräder, Photovoltaik und Überlandleitungen gerade auch aus der umweltbewegten Zielgruppe der Grünen. Sogar das Verheizen von Pellets aus Holzabfällen ist dort umstritten, weil ertragsorientierte Forst- oder Landwirtschaft dem „grünen Kern“ an sich verdächtig sind.

 

Offenbar fehlt es an praktischem Sachverstand

 

Abseits der ideologischen Probleme fehlt es den sogenannten Experten des Habeck-Ministeriums offenbar am praktischen Sachverstand. Nach der versemmelten Gasumlage nun auch beim Heizen. Weitgehend unwidersprochen bleibt von dort beispielsweise die These, dass Wärmepumpen für ältere Häuser nicht taugen. Obwohl die Energieeinsparung im Altbau nicht kleiner ist als in Neubauten. 

 

Zudem gäbe es einfache, kostengünstige Kompromisslösungen. So bietet eine schwedische Baumarkt-Kette aktuell die Luft-Luft-Wärmepumpe ausreichend zur Grundversorgung von 100 Quadratmetern Wohnfläche für knapp 2500 Euro an – Montage inklusive. Warum energiesparende Heizungen in Skandinavien längst Alltag sind, ist also kein Rätsel. Es liegt aber auch am Strompreis, der in Deutschland noch weiter steigen dürfte, wenn die Nachfrage durch E-Mobilität und Elektro-Heizsysteme explodiert.

 

Entscheidungshilfe für aktuell eher ratlose Menschen wäre geboten: Zum Beispiel mit garantierten Niedrig-Strompreisen für Wärmepumpen. Im Gegensatz zur Subvention von Industrie-Strom wäre das auch hilfreich fürs Klima. Und ein Signal an die Verbraucher, bei denen sich bisher der Verdacht breit macht, dass explodierende Energiekosten bei einem Teil der Grünen immer noch als Mittel der Umwelt-Erziehung gelten. 

 


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