Deutscher Sonderweg beim Pflanzenschutz

Der Selbstversorgungsgrad Deutschlands bei Obst und Gemüse könnte höher sein. Das Umweltbundesamt hintertreibt die Zulassung von Pestiziden

Pflanzenschutzmittel werden ausgebracht. (Foto: Erich Westendarp / pixelio.de)
Pflanzenschutzmittel werden ausgebracht. (Foto: Erich Westendarp / pixelio.de)

 

Von Ludwig Hintjens

 

Für Tomaten, Gurken, Paprika und Auberginen müssen Verbraucher derzeit Rekordpreise zahlen. Hierzulande ist die Versorgungslage noch gut, verglichen etwa mit Großbritannien, wo es in den letzten Monaten Engpässe in vielen Supermärkten gab. Der Grund ist akuter Wassermangel in den Gemüsegärten der Europäer: Marokko und Spanien erleben gerade das dritte Jahr in Folge mit dramatisch wenig Regen. Neu ist, dass die Niederschläge in den Mittelmeerländern inzwischen im Winter sehr spärlich geworden sind oder weitgehend ausfallen.

 

In Südeuropa und Marokko hat der Wassermangel verheerende wirtschaftliche, soziale und ökologische Folgen. Landwirtschaftliche Betriebe stehen vor dem Aus. Bauern bangen um ihre Existenz. Arbeitsmigranten aus Nordafrika verlieren ihre vielfach ohnehin prekären Jobs. Landschaften etwa in Andalusien, wo über Jahrhunderte auch ohne Bewässerung Oliven angebaut wurden, droht die Wüstenbildung. Es kommt bereits jetzt zu Konflikten um den Zugang zu Wasser nicht nur in Spanien, sondern auch in Frankreich.

 

Die landwirtschaftlichen Betriebe im Süden Spaniens, die sich auf Tomaten, Erdbeeren und Gurken spezialisiert haben, stehen für einen sehr hohen Wasserverbrauch. Die Plantagen unter Plastikplanen müssen aufwendig bewässert werden. Dafür wurden illegal Brunnen gebohrt, das Grundwasser wird angezapft, wodurch das Problem noch verschärft wird, weil der Grundwasserspiegel sinkt.

 

Tomaten auch im Winter

 

Der Verbraucher in Nord- und Mitteleuropa sorgt für die Nachfrage. Er möchte auch in den Wintermonaten Tomaten, Gurken und Erdbeeren essen. Er nimmt es hin, dass die Früchte unreif geerntet werden und beim Aroma eindeutig Potenzial nach oben haben.

 

Auf Gemüse und Erdbeeren aus heimischer Produktion umzusteigen, das ist für den Verbraucher in Deutschland nur in der Saison möglich. Bei Obst produzieren die deutschen Bauern etwa ein Fünftel des deutschen Konsums selbst. Bei Äpfeln wird knapp die Hälfte des Bedarfs auch in Deutschland geerntet, bei Erdbeeren liegt der Selbstversorgungsgrad bei knapp 40 Prozent. Beim Gemüse stellt die deutsche Landwirtschaft 38 Prozent des deutschen Konsums selbst her. Spitzenreiter ist Weiß- und Rotkohl, wo mit 112 Prozent sogar über dem Bedarf angebaut wird. Bei den Wurzelgemüsen Möhren, Rote Bete, Sellerie und Porree liefern die deutschen Hersteller mehr als drei Viertel des Konsums. Spargel erzielt auch Selbstversorgungsgrade von über 70 Prozent. Aber insbesondere bei Tomaten ist der Standort chancenlos. Lediglich 3,5 Prozent der Nachtschattenpflanzen, die zum Gedeihen viel Sonne benötigen, werden bei uns angebaut.

 

Aber nicht nur das Klima macht den deutschen Herstellern von den arbeitsintensiven Sonderkulturen das Leben schwer. Ein Hemmschuh ist, dass hierzulande weniger Pflanzenschutzmittel zugelassen sind als in anderen EU-Mitgliedstaaten. Die EU ist seit 2011 in drei Zonen bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eingeteilt. Diese Einteilung in Nord, Süd und Mitte ist aus klimatischen Gründen sinnvoll. Deutschland ist in der mittleren Zone wie etwa auch Tschechien und Österreich. Das heißt aber nicht, dass unsere Bauern die gleichen Pflanzenschutzmittel zu Verfügung haben.

 

Wettbewerb wird verzerrt

 

Insbesondere das Umweltbundesamt, das die Folgen des Einsatzes für die Natur bewerten muss, hintertreibt hierzulande die Zulassung von Mitteln. So haben etwa Hopfenbauern in Bayern nicht die gleichen Pestizide zur Auswahl wie ihre Kollegen wenige Kilometer weiter auf der tschechischen Seite der Grenze. Der Selbstversorgungsgrad Deutschlands bei Obst und Gemüse würde höher ausfallen, wenn hier mehr Mittel zugelassen wären. 

 

Das ist nicht in Ordnung. Gerade in der Agrarpolitik muss es gemeinsame Regeln im Binnenmarkt geben. Das heißt: In den definierten Zonen für Pflanzenschutzmittel sollten Bauern die gleichen Bedingungen für den Zugang zu Pflanzenschutzmitteln haben. Es ist nicht hinzunehmen, dass Sonderwege einer nationalen Behörde wie das Umweltbundesamt systematisch den deutschen Landwirten Wettbewerbsnachteile bescheren.

 


Lesen Sie auch:

Welche Wahrheit liegt im Wein? Winzer sehen ihre Existenz gefährdet, weil die EU den Einsatz chemischer Mittel in Landschaftsschutzgebieten verbieten will 

Ist Bio das neue Normal? Die Preise von konventionellen und Bio-Lebensmitteln gleichen sich – wenn auch auf hohem Niveau – immer mehr an 

 

Hier können Sie sich für unseren wöchentlich erscheinenden Newsletter anmelden. 

natur+mensch – der Blog ist eine Initiative der Stiftung natur+mensch

Copyright © 2023 Stiftung natur+mensch - Havixbeck - Alle Rechte vorbehalten.