Der unentbehrliche Störenfried

Gut, dass nicht nur SPD und Grüne in der Koalition bestimmen können: Die FDP verteidigt marktwirtschaftliche Prinzipien

Christian Lindner, FDP-Chef und Bundesfinanzminister. (Foto: Bundesministerium der Finanzen / Photothek)
Christian Lindner, FDP-Chef und Bundesfinanzminister. (Foto: Bundesministerium der Finanzen / Photothek)

 

Von Wolfgang Molitor

 

Unterm Parteitagsstrich steht die Botschaft: Die FDP ist ein loyaler Bestandteil dieser programmatisch so seltsam miteinander verknoteten Ampel-Koalition. Einer, der zwar seinen eigenen Kopf hat, dabei aber akzeptiert, ihn nicht immer und um jeden Preis durchsetzen zu können. 

 

Christian Lindner, von den Delegierten mit sehr akzeptablem Ergebnis wieder an die Parteispitze gestellt, hat deshalb darauf verzichtet, sich von seinen Koalitionspartnern allzu lautstark zu distanzieren. Stattdessen verteidigt der FDP-Vorsitzende offensiv vor allem seine sich gegen grüne Öko-Übergriffe und rote Wohlfahrtsvisionen abgrenzenden Kernforderungen – als unentbehrliches, aber berechenbares Ampel-Korrektiv. Die FDP geriert sich im Bündnis als mutiger Verhinderer und behutsamer Gestalter zugleich. Als ausgleichende Kraft zwischen grün-verbohrter Klimaschutz-Effizienz und gesellschaftlicher Akzeptanz. Das mag nicht immer dem Koalitionsklima gut tun. Dem Land dagegen sehr wohl.

 

Das spektakuläre Veto gegen das europaweite Verbot von Verbrennermotoren, die bedenkenswerte Kritik gegen den endgültigen Atomausstieg oder die furchtlose Notbremse bei der theoriegesteuerten Modernisierung von Heizungen: All das hat den Liberalen neben neuer Aufmerksamkeit auch neues politisches Gewicht beschert. Neuen Rückenwind auch. Wenn auch noch mit leichter Brise.

 

Meinungsumfrage bescheinigen langsame Erholung 

 

Bisher segelten die Ampel-Liberalen viel zu oft von Flaute zu Flaute. Im Saarland, in Niedersachsen und in Berlin scheiterten sie bei den jüngsten Landtagswahlen an der Fünf-Prozent-Hürde, in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein flogen sie herben Verlusten um die sechs Prozent aus den Landesregierungen. Mittlerweile erholt man sich im Bund, liegt wieder bei rund acht Umfrageprozenten, wenngleich noch immer deutlich hinter jenen 11,5 Prozent, die sie am Ende für jedermann als Koalitionspartner anziehend machten.

 

 

Denn die FDP scheint endlich ihre Rolle in der Ampel gefunden zu haben. Als Hüter und Verteidiger marktwirtschaftlich orientierten Denkens und Handelns. Ihr betonhartes Nein zu Steuererhöhungen, ihr Credo, wonach Wohlstand nicht nur ideologielüstern verteilt, sondern dauerhaft erwirtschaftet werden muss, ihr Hinweis, dass der Staat kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem hat sowie ihre (nicht nur bei neuen Klimaschutz-Technologien) hartnäckige Abwehr von ständig neu ausgeheckten staatlich verordneten Ge- und Verboten stärken ihr liberales Profil über ihre Kernwählerschaft hinaus.

 

Die Liberalen sehen in der Union die Hauptkontrahenten

 

Wobei dann auch die Union in Lindners Blickwinkel rückt. Denn auch das hat der Parteitag verdeutlicht: Die FDP sieht über den Tag hinaus ihre Hauptkontrahenten nicht so sehr in der Ampel, sondern in CDU und CSU. Nicht erst seit Lindners Ego-Ausstieg aus den Jamaika-Gesprächen 2017 hat sich das bereits in gemeinsamen schwarz-gelben Koalitionstagen angespannte Verhältnis kontinuierlich verschlechtert. In der Union nimmt man es der FDP besonders übel, ihre Hand zur rot-grünen Grundgesetzänderung des Wahlrechts gereicht zu haben. Der nächste Wahlkampf um die Zweitstimme droht gerade an der christlich-liberalen Front schmutzig zu werden. Hier tut von beiden Seiten Abrüstung not. Lindners Parteitagsattacken gegen die neuen Steuererhöhungspläne der CDU und seine schweren Versäumnisvorwürfe an vorhergehende unionsgeführte Bundesregierungen dürfen der FDP nicht jenen Spielraum verbauen, um nach allen Seiten bündnisoffen zu bleiben. Weil sie nicht als Ampelmännchen gebraucht wird – sondern als Garant der Marktwirtschaft.

 


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