Raubtierschutz immer stärker unter Druck

Der „Freispruch“ nach der tödlichen Bären-Attacke in den Dolomiten und eine Wolfsabschuss-Demo am 28. April in Berlin: Der Druck wächst

Ein Wolf hinter Gestrüpp. (Foto: Rudolpho Duba / pixelio.de)
Ein Wolf hinter Gestrüpp. (Foto: Rudolpho Duba / pixelio.de)

 

Von Michael Lehner 

 

Der kompromisslose Artenschutz für Wölfe und Bären könnte bald kippen: Die EU-Kommission signalisiert Verhandlungsbereitschaft. In Deutschland plädieren immer mehr Landesregierungen unter dem Druck aus den betroffenen Regionen für wirksame Bestandsreduzierung. Am 28. April protestieren in Berlin Weidetierhalter aus der ganzen Republik gegen den hinhaltenden Widerstand der Bundesbehörden (Infos unter www.weidetierhaltung-wolf.de).

 

Enormer Rückenwind kommt aus den Dolomiten. Dass dort eine bereits amtsbekannte „Problembärin“ wieder freikommen soll, nachdem sie einen Jogger zerfleischte, erregt nicht nur Almbauern und die Tourismus-Industrie, sondern auch die übrige Bevölkerung. Verwaltungsrichter hatten nicht nur die Abschussverfügung der Provinzregierung gestoppt, sondern sogar ermöglicht, dass das mit einer Falle eingefangene Tier bald wieder ausgewildert werden soll.

 

In Tirol und den benachbarten bayerischen Grenzregionen kommt so viel Bärenliebe nicht gut an. Schon der legendäre Braunbär „Bruno“ stammte aus dem Auswilderungsprogramm „Life Ursus“, das offensichtlich eine ganze Reihe von Problembären hervorbrachte. Dass Wölfe und Bären für schaulustige Touristen angefüttert wurden, ist dokumentiert. Und womöglich auch der Hintergrund für aktuelle Zwischenfälle im bayerisch-österreichischen Grenzland bei Rosenheim, wo derzeit ein Bärenüberfall auf eine Schafherde für Aufsehen erregt. 

 

EU-Kommission steht Bestandsregulierungen nicht im Wege

 

Mehr Abhilfe als die Empfehlung, Weidetiere nachts in den Stall zu sperren, bleibt Politikern wie dem Rosenheimer Landrat momentan nicht. Die Gegner jeglicher Vergrämungs- oder gar „Entnahme“-Maßnahmen bemühen die Gerichte mit dem Hinweis auf den strengen Artenschutz nach europäischem Recht. Dabei brachten Schäfer und Almbauern aus der gesamten Alpenregion von einem Besuch in Brüssel kürzlich eine klare Auskunft mit: Die EU-Kommission steht Bestandsregulierungen nicht im Wege, wenn nationale Behörden feststellen, dass es in ihren Ländern genug Wölfe oder Bären gibt, um die Arterhaltung zu sichern. 

 

Endgültig fadenscheinig wird damit das Argument, dass Bestandsregulierung gegen europäisches Recht verstoße. Das war allerdings schon klar, nachdem Schweden im vergangenen Jahr die reguläre Lizenzjagd nach mehrjähriger Pause wieder zuließ. In der Vergangenheit gab es zwar immer wieder Drohungen gegen die schwedische Raubtierpolitik. Die in Brüssel eingeleiteten Verfahren verliefen jedoch im Sande.

 

Dass deutsche Regionen mit einem gegenüber Schweden vielfach dichteren Wolfsbestand einer bedingungslosen Schonzeit unterliegen, wird immer wieder mit dem Verweis nach Brüssel begründet. Der zuständige Kommissar Virginijus Sinkevičius hat jedoch schon mehrfach erklärt, dass für die Festlegung von Bestandsgrößen die einzelnen Mitgliedsländer zuständig seien. Die EU prüfe lediglich, ob es dabei wissenschaftlich korrekt zugehe.

 

In Deutschland ist der Umgang mit Raubtieren eher Glücksache

 

Auch in Litauen, der Heimat des Tierschutz-Kommissars, werden Wölfe ganz legal bejagt. In Deutschland ist der Umgang mit den Raubtieren eher Glücksache. So wurde in Brandenburg ein Jäger, der einen Wolf erschoss, um angegriffene Jagdhunde zu schützen, in zwei Instanzen freigesprochen – und die Staatsanwaltschaft will auch die Entscheidung des Landgerichts nicht akzeptieren. Obwohl die Wolfsdichte in Brandenburg weit höher ist als in Litauen oder Schweden.

 

Nicht erst seit Wölfe in Niedersachsen das Pony der EU-Kommissionspräsidentin töteten, bahnt sich Wechselstimmung an: Ursula von der Leyen hat die Kommissionsbeamten mit einer „Tiefenanalyse“ der Wolfsbestände in der Union beauftragt. Also mit der Arbeit, die der zuständige Kommissar eigentlich von den Mitgliedsländern erwartet. Womöglich kommen dabei auch die offiziellen Zahlen aus Deutschland auf den Prüfstand. Diese bleiben regelmäßig deutlich hinter den Zählungen von Jägerschaft und Weidetierhaltern zurück und mussten bisher ebenso regelmäßig nach oben korrigiert werden.

 

Genug Stoff also für die große Demo am 28. April in Berlin von der Friedrichstraße bis zum Brandenburger Tor. „Diese Demonstration muss zu einem Fanal werden“, schreibt die „Interessengemeinschaft Sichere Weidewirtschaft“. Anmeldungen von der Nordsee-Küste bis zu den Ammergauer Bergen im Süden gibt es schon reichlich. Ebenso Rückenwind aus der Politik, voran vom bayerischen Ministerpräsidenten, der – kaum verklausuliert – gegebenenfalls mit Alleingang droht. „Wenn wir jetzt nicht eine klare Grenze ziehen,“ glaubt Markus Söder, drohen „große Gefahren“. Außerdem wählen die Bayern im Herbst einen neuen Landtag.

 

Bayerns Strategie könnte den Bundesbehörden gefährlich werden

 

Ohne Unterstützung aus Berlin wird zwar auch der CSU-Chef den Wölfen nicht gefährlich. Aber Bayern fährt schon seit geraumer Zeit eine Strategie, die den Bundesbehörden gefährlich werden könnte: Immer mehr Landräte schalten nach Wolfsrissen auf Viehweiden unabhängige Labor-Institute ein – mit oft erstaunlichen Abweichungen von den Ergebnissen der Bundesbehörden. Und im bayerischen Landesamt für Umwelt wird offenkundig an den Analysen gearbeitet, die der EU-Kommissar vor einer Lockerung der Schutzbestimmungen erwartet. 

 

Anmeldung zur Demonstration „Fünf nach Zwölf für die Deutsche Weidetierhaltung“ am 28. April ab 11 Uhr in Berlin: E-Mail Wir.fuer.unsere.Weidetiere@gmail.com  

 


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