Auf Tour über die Dörfer: Das ökumenische Projekt SachsenSofa

Bewusst suchen sie kleinere Orte in Sachsen auf – und immer ist ein Sofa dabei. Die Evangelische und die Katholische Akademie nehmen Sorgen der Menschen ernst

Symbolbild eines Sofas. (Foto: Rainer Sturm / pixelio.de)
Symbolbild eines Sofas. (Foto: Rainer Sturm / pixelio.de)

 

Von Christian Urlage

 

Ausdrücklich touren sie durch die Dörfer und nehmen für ihre Diskussionsveranstaltungen immer ein Sofa mit – ein Möbelstück, das bedruckt ist in den sächsischen Wappenfarben Schwarz und Gold mit grünem Rautenkranz. So wollen die Katholische Akademie des Bistums Dresden-Meißen und die Evangelische Akademie Meißen auch dem ländlichen Raum ein Forum bieten. Es ist ein vorbildliches ökumenisches Projekt, das mit dem Satz wirbt: „Das Sofa, das Euch von der Couch holt“.

 

Zu den Themen in Wurzen, Augustusburg, Bobritzsch-Hilbersdorf und anderswo gehören der Pflegenotstand und die Inflation, der demografische Wandel und die Migration. Und stets laden die Veranstalter drei Gäste ein: einen prominenten Menschen, eine Person mit christlicher Perspektive – und einen regionalen Player: Das kann ein Kommunalpolitiker sein, ein Verbandsvertreter, aber auch die Bäckersfrau von nebenan. 

 

Entstanden ist das Projekt SachsenSofa 2019, geprägt von den Erfahrungen der Demonstrationen von Pegida und den Erfolgen der AfD nach der Migrationsbewegung 2015. Ziel der konstruktiven Aktion ist es, die Probleme vor Ort mit der großen Politik ins Gespräch zu bringen. Die Veranstalter wollen den Besuchern zeigen, dass Protest allein nicht genügt und ein Rückzug ins Private ebenfalls nicht weiterhilft. Als Erfolg werten sie, wenn es ihnen gelingt, Menschen zu motivieren, sich in politischen Debatten zu engagieren.

 

Gefahr von Rechtspopulisten befürchtet

 

Thomas Arnold, Leiter der Katholischen Akademie, befürchtet eine gefährliche Entwicklung, wenn kleinere Orte nicht mehr wahrgenommen werden: „Wenn Parteien und Kirchen sich da zurückziehen und politische Probleme nicht mehr öffentlich diskutiert werden, dann ist die Gefahr groß, dass Rechtspopulisten in diese Lücke gehen“, sagte er in einem Interview mit den Kirchenzeitungen der Verlagsgruppe Bistumspresse.

 

Die Reaktionen auf die Gesprächsabende sind positiv. Die Leute im Publikum fühlen sich wertgeschätzt, weil sie an ihrem Ort einen prominenten Besuch erhalten, der sich die Probleme anhört. Und auch die Gäste ziehen einen Gewinn aus den Veranstaltungen. Als Beispiel nennt Arnold im Interview den Besuch von WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn in Leubniz im Vogtland vor vier Jahren. Der Journalist habe den Frust und die Resignation der Leute gespürt und daraufhin bei Infratest dimap eine Umfrage zum ländlichen Raum in Deutschland in Auftrag gegeben. Ergebnis der Erhebung: Zwischen der Abwanderung und den Wahlerfolgen der AfD besteht ein erkennbarer Zusammenhang.

 

 

Wichtig ist das SachsenSofa auch, weil der demografische Wandel Sachsen stärker betrifft als andere Regionen in Deutschland. Schon einmal, nach der Wende, haben die Menschen erlebt, dass aufgrund des Wegzugs vieler Menschen Schulen, Supermärkte, Krankenhäuser und Arztpraxen geschlossen werden mussten. Das löste bei den Dagebliebenen die Erfahrung von Verlust aus.

 

Von 60 Polizisten gesichert

 

Wohlfühlveranstaltungen sind die Debatten nicht immer: Als es Ende Februar in Augustusburg um Migration und Asyl ging, waren nach Angaben von Akademiedirektor Arnold immerhin 60 Polizisten dabei, weil man eine Situation von großer Sprengkraft befürchtete. Zum Glück aber blieb alles friedlich.

 

Was die Evangelische und die Katholische Akademie mit dem SachsenSofa leisten, ist wertvoll für das gesellschaftliche Miteinander in dem östlichen Bundesland. Möglich wird es auch, weil die Kirche selbst bei den Menschen anerkannt wird, die keine konfessionelle Bindung haben – als unparteiische Institution, die Debatten zu den Grundwerten in Gang setzen kann. Das ist eine große Chance in einer Region, in der die Christen in der Minderheit sind.

 


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