Das Klima, die Kosten und das Eigentum

Wie die Politik das ökologisch Wünschenswerte mit dem Bezahlbaren verwechselt und dabei den Dörfern schadet
Ein alter Mann mit Stock steht bei Sonnenuntergang auf dem Land neben einer Bank, die unter einem Baum steht. (Symbolbild: NoName_13)
Ein alter Mann mit Stock steht bei Sonnenuntergang auf dem Land neben einer Bank, die unter einem Baum steht. (Symbolbild: NoName_13)

 

Von Michael Lehner

 

Die Öko-Träume von klimaneutralen Autos und Heizungen bedrohen zusammen mit der energetischen Zwangsertüchtigung von Wohngebäuden die soziale Sicherheit der Menschen. Vor allem im ländlichen Raum, wo noch mehr als die Hälfte der Bevölkerung in den eigenen vier Wänden lebt. In Berlin sind das gerade mal noch 16 Prozent. Zu mehr als drei Vierteln sind die Hauptstädter einem Wohnungsmarkt mit weiter explodierenden Mieten ausgeliefert.

 

In der Politik wird nicht gern darüber geredet. Aber unter den wohlhabenden europäischen Ländern gehört die Bundesrepublik zu den Schlusslichtern beim Wohneigentum. Nicht einmal die Hälfte der Deutschen besitzt ein Haus oder eine Eigentumswohnung. In Norwegen beträgt der Anteil der Immobilienbesitzer 80 Prozent, in Schweden immerhin 64 Prozent. Auch die ärmeren Südeuropäer sind viel besser dran: 73 Prozent Wohneigentum in Italien, 76 Prozent in Spanien.

 

Zur Miete zu wohnen gehört unbestritten zu den wesentlichen Risiken, der Altersarmut zu verfallen. Auch das macht die Kostenlawine so gefährlich, die aktuell vor allem privaten Hausbesitzern droht. Sie können die Summen kaum aufbringen, die bei einem Einfamilienhaus schnell mal 100.000 Euro für Wärmepumpen, neue Fenster und aufwendige Fassadendämmung erreichen. Und sie bekommen – zumal im fortgeschrittenen Alter – oft auch keinen Bankkredit in solchen Höhen.

 

Berufspendler besonders hart betroffen

 

Hart trifft es aber auch die Jüngeren im ländlichen Raum, zumal Berufspendler. Neben mindestens 30.000 Euro fürs Elektroauto sollen sie nun mittelfristig horrende Summen für die energetische „Ertüchtigung“ ihrer meist noch nicht abbezahlten Häuser organisieren. Wo kein Bus und keine Bahn fährt, hilft da auch kein 49 Euro-Ticket. Sondern oft nur der Umzug in die Stadt und der Hausverkauf an gut situierte Großstädter, die sich in den Metropolen trotz hoher Gehälter keine Immobilie leisten können. Die Folge: Dörfer vergreisen, der Druck auf den Wohnungsmarkt der Metropolen wächst weiter.

 

Aus solchen Szenarien resultiert ein Umbruch vergleichbar mit der Industrialisierung im 18. und 19. Jahrhundert. Mit massenhafter Landflucht in die neu entstehenden Ballungszentren. Verbunden mit dem Verlust von Eigentum an Grund und Boden – und mit dem Zwang zur Miete zu wohnen. Gern beschrieben mit dem Wort „Prekariat“. Was viel mit dem Gefühl der Chancenlosigkeit zu tun hat. Und damit, dass der Sozialstaat immer mehr gefordert wird. Heute wohl noch mehr als in der Gründerzeit.

 

Das Risiko, dass CO2-Neutralität und Staatspleite zugleich eintreten, ist real

 

Wahr ist vor allem, dass die großen Wohnungskonzerne die neuen Öko-Lasten auf die Mieten umlegen werden. Und damit zu einem beträchtlichen Teil auf die Staatskasse, die mit Wohn- und Bürgergeld dafür zu sorgen hat, dass sich Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen das urbane Dasein überhaupt noch leisten können. Obendrauf kommen dann noch die hohen Kosten für staatliche Subventionen, die den Preisschock der Klima-Wende mildern sollen. Das Risiko, dass CO2-Neutralität und Staatspleite zugleich eintreten, ist real.

 

Besonders schlimm an solchen Szenarien ist das Risiko, dass bisher noch einigermaßen intakte Menschen-Lebensräume mit in den Abwärts-Sog geraten. Steigende Abgabenlast trifft auch ländliche Gebiete, in denen Wohngeld bisher eher ein Fremdwort war. Das Bauen, der Gebäudeunterhalt und die Mieten drohen auch in den Kleinstädten und Dörfern deutlich teurer zu werden. Also dort, wo Feinstaub und Existenznot bisher höchstens eine Nebenrolle spielen.

 


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