Potemkin lässt grüßen

Bundesbauministerin Klara Geywitz muss langsam einräumen, dass sie statt Wohnungen ein Wolkenkuckucksheim gebaut hat

Von Minkelfeld (Gemeinde Kerben, Kreis Mayen-Koblenz) in Rheinland-Pfalz aus, ist man beispielsweise in 15 Autominuten in Koblenz, in 60 Minuten in Köln und in 80 Minuten in Frankfurt a. M.. (Foto: kiwi)
Von Minkelfeld (Gemeinde Kerben, Kreis Mayen-Koblenz) in Rheinland-Pfalz aus, ist man beispielsweise in 15 Autominuten in Koblenz, in 60 Minuten in Köln und in 80 Minuten in Frankfurt a. M.. (Foto: kiwi)

 

Von Wolfgang Molitor

 

Was für ein Armutszeugnis! Welche Hilflosigkeit! 1,7 Millionen leerstehende Wohnungen will die Bundesbauministerin in Deutschland ausgemacht haben, den allergrößten Teil im ländlichen Raum. Hurra, ruft Klara Geywitz, also nichts wie raus aus der grauen Städte Mauern ins ferne Wohnungswunderland. Dorthin, wo Familien mit Kindern „eine hohe Lebensqualität, weg vom Lärm der Großstadt“ geboten werde.

 

Fakt ist: Deutschland droht das höchste Wohnungsdefizit seit 20 Jahren. Der Zentrale Immobilienausschuss (ZIA) spricht bis 2025 von 700.000 fehlenden Wohnungen. Das vorlaute Versprechen der Ampel-Koalition, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, entpuppt sich als parteipolitische Maulhurerei. Nicht einmal die Hälfte davon wird in diesem Jahr geschafft, und auch Geywitz muss langsam einräumen, dass sie statt Wohnungen ein Wolkenkuckucksheim gebaut hat. Ein Erreichen des hochgesteckten Ziels sei dieses Jahr jedenfalls nicht mehr möglich, sagt die Ministerin und vertröstet auf 2024, wo man sich dann endlich „dem Ziel nähern“ wolle. Potemkin lässt grüßen.

 

Aber Geywitz weiß Rat. Man müsse nur das Leben auf dem Land attraktiver machen, dann würden sich schon viele Menschen zum Umzug entscheiden. Aber damit treibt der Selbstbetrug der Ministerin nur weitere Blüten. Ein Umzug aufs Land, bei dem man vielleicht eine günstigere Miete bezahlt, aber ohne Zweitwagen nicht auskommt, weil die Infrastruktur katastrophal ist, rechnet sich für die meisten nicht. Auch der in der Regel längere und zeitraubende Weg zur Arbeit schreckt viele ab, von entlegenen weiterführenden Schulen und einer erwarteten Ausdünnung der ärztlichen Versorgung ganz zu schweigen.

 

Politik aus dem Elfenbeinturm

 

Stattdessen sucht Geywitz ihr Heil in alten Floskeln, spricht von mehr nötigen Digitalisierungsangeboten (über die Selbstständige auf dem Land in vielen Orten nur müde lächeln können) und einer stärkeren Verbreitung von Homeoffice, die alle, die in der Produktion, in der Gastronomie, der Pflege und wo noch sonst geflissentlich ignoriert.

Das ist Politik aus dem Elfenbeinturm. Allein 2023 stelle sie erneut 790 Millionen Euro für Projekte zum Erhalt von Innenstädten und Ortskernen bereit, um die Städte und Gemeinde lebenswerter zu gestalten, lobt sich Geywitz. Dort, wo Post- und Bankfilialen schließen, sich die Gastronomie und der örtliche Handel immer häufiger zurückziehen oder kulturelle Angebote fehlen, nützen neu gepflasterte und begrünte Straßen wenig. Eine niedrige Miete allein ist noch keine Lebensqualität. Und dort, wo sich die Infrastruktur spürbar verbessert, steigen die Mieten natürlich auch.

 

1,7 Millionen leerstehende Wohnungen zeigen aber noch mehr: eine wachsende Rechtsunsicherheit bei Vermietern und einen großen Renovierungsbedarf. Umrahmt wird dieses Szenario von explodierenden Baukosten, steigenden Zinsen, fehlenden Fachkräften und Materialmangel. Dazu gesellen sich zunehmende, ausufernde und immer kostspieligere Anforderungen zur Energetischen Sanierung sowie ständig erhöhte Auflagen zur Energieeinsparung oder Fahrradständer-Richtlinien plus Wärmepumpenpflicht sowie der grünen Aversion gegen den Bau von Einfamilienhäusern.

 

Leben im ländlichen Raum als bewusste Entscheidung

 

Wohnen und leben im ländlichen Raum kann sehr schön sein. Wenn es eine bewusste Entscheidung und keine Notlösung ist. Millionen Menschen fühlen sich dort zu Recht wohl. Doch der ländliche Raum bietet sich nicht als romantisches Evakuierungsgebiet für Wohnungssuchende an, eignet sich nicht, um die fatalen Versäumnisse der Politik zu kaschieren. Die Verbesserung der Lebensbedingungen, angefangen von einer ortsnahen Klinik, gut erreichbaren Schulen, einem attraktiven Lehrstellenmarkt, einer nahen Lebensmittelversorgung bis hin zu einem funktionierenden, enger getakteten öffentlichen Personennahverkehr ist zwingend nötig: vor allem für die, die aus Überzeugung seit Jahren im ländlichen Raum leben  - und damit entscheidend zu seinem Überleben beitragen. 

 


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