Heftiger Streit in der Berliner Ampel

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

Liebe Leserinnen und Leser unseres Politblogs,

 

lassen Sie uns zum Wochenende über das Wetter in Berlin reden - nicht im meteorologischen, sondern im politischen Sinne. Und das sieht ziemlich trübe bis hin zu stürmisch aus. Oder anders gesagt: Die Ampelkoalition gerät zunehmend in ein Dauertief. Man nehme nur das kürzliche Donnerwetter von Robert Habeck in Richtung Koalitionspartner. Beim grünen Wirtschaftsminister entlud sich hier länger aufgestauter Frust und Ärger vor allem über die Liberalen, insbesondere deren Verkehrsminister Volker Wissing. Aber nicht nur über den. Auch die Sozialdemokraten, voran Olaf Scholz, stehen in der politischen Schusslinie von Habeck und seinen Freunden. Zwar wird der Kanzler nicht offen kritisiert, aber zwischen den Zeilen wird schon deutlich, dass sich die Grünen deutlich mehr Unterstützung durch den Regierungschef wünschen. Kurzum, Scholz solle endlich in Klimafragen mehr führen statt bloß zu taktieren, um die bei den jüngsten Landtagswahlen arg gebeutelte FDP bei Laune zu halten. So die Stimmungslage bei vielen Grünen.

Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination
Jürgen Wermser Redaktionsleitung/Koordination

Gewiss, Meinungsunterschiede gehören auch innerhalb einer Regierung zum üblichen Geschäft. Aber der aktuell gereizte Ton in der Ampel geht weit darüber hinaus. Hier liegen die Nerven insbesondere bei der Ökopartei blank. Sie befürchtet zunehmend, in der Klimawende ausgebremst und damit ihres Markenkerns beraubt zu werden. Und natürlich haben aus ihrer Sicht die anderen - sprich Sozialdemokraten und Liberale - allein Schuld daran. Doch so einfach ist es nicht. Auch die Grünen trifft ein hohes Maß an Verantwortung für die gegenwärtige Misere. Und dies liegt nicht zuletzt an Habeck und seinen teils unausgegorenen, teils dürftig bis hin zu dilettantisch kommunizierten Vorhaben.

 

Beispiel Heizen und der ministeriell gewünschte Einbau von Wärmepumpen. Ein solches Mega-Vorhaben kann unzählige Privathaushalte in den finanziellen Ruin treiben. Entsprechend groß sind Verunsicherung und Unmut nicht zuletzt im ländlichen Raum, wo viele Menschen in den eigenen, zumeist mühsam ersparten vier Wänden leben. Eine soziale Abfederung der teuren Sanierungen ist unabdingbar, was auch die Grünen zwar nicht prinzipiell bestreiten aber praktisch zu sehr verdrängt haben. Habeck hätte dies rechtzeitig erkennen müssen und zeitgleich mit seinen energiepolitischen Plänen deren Finanzierung sicherstellen müssen. Das hat er versäumt. Stattdessen stehen die Grünen jetzt öffentlich als bloße und „böse“ Verbotspartei von Gasheizungen da, während sich die Koalitionspartner als die „Guten“, sprich sozial und finanziell Vernünftigen präsentieren.

 

Gewiss, der Start der Ampelkoalition fand wegen Corona-Pandemie und Ukrainekrieg unter denkbar schlechten Bedingungen statt. Im Grunde können SPD, Grüne und FDP erst jetzt so richtig mit ihrem Modernisierungsprogramm beginnen. Umso bedenklicher sind die nun sichtbar gewordenen Konfliktlinien. Es drängt sich zunehmend der Eindruck auf, dass allmählich auseinanderfällt, was nicht zusammengehört. Selbst ein vorzeitiges Aus der Koalition scheint auf mittlere Sicht nicht mehr undenkbar zu sein. Dies muss man nicht bedauern, aber ein längerer Stillstand wegen interner Querelen kann auch nicht im Sinne der Bürger sein. Deshalb wird es höchste Zeit, dass sich die Koalitionspartner intern zusammenraufen, auf die Opposition konstruktiv zugehen und mit ihr gemeinsam vernünftige, machbare Lösungen, gerade im Bereich Klima zu Stande bringen. Doch auch hier sind die Hoffnungen auf Erfolg nicht allzu groß. Denn wenn die Koalition ähnlich rabiat und unfair mit der Opposition umspringt, wie jüngst bei der Wahlrechtsreform, sind die Perspektiven für ein konsensorientiertes Miteinander ebenfalls recht düster.

 

In zu vielen Politikfeldern stehen die Zeichen in der Berliner Ampel auf Frust und Gegeneinander. Man nehme nur Wissings zähen Kampf gegen ein radikales Aus für Verbrennermotoren in der EU und sein Pochen auf Technologieoffenheit für E-Fuels. Oder auch die vielen Kontroversen in der Agrarpolitik, wie sie jetzt auf der Konferenz der zuständigen Minister in Büsum sichtbar wurden. Für alle Verbraucher, aber insbesondere für den ländlichen Raum stand dort viel auf dem Spiel. Unser Autor Jürgen Muhl wird am Montag in unserem Politblog noch einmal ausführlich Stellung zu den Ergebnissen von Büsum nehmen.

 

Mit diesem Hinweis verbleibe ich mit den besten Grüßen und Wünschen für eine gute, positiv verlaufende Woche

 

Ihr

Jürgen Wermser

Redaktionsleitung/Koordination

 

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