Generation Kinderlos

In Schweden – oft voraus, wenn es um soziologische Trends geht – beherrscht das Thema Geburtenverzicht schon die Massenmedien

Ein Mann und eine Frau sitzen auf einer Parkbank und schauen auf einen leeren Kinderspielplatz. (Symbolbild: DianaZG)
Ein Mann und eine Frau sitzen auf einer Parkbank und schauen auf einen leeren Kinderspielplatz. (Symbolbild: DianaZG)

 

Von Michael Lehner

 

Im Internet berichtet die Enddreißigerin Jackie Dives regelmäßig über das vermeintliche Glück, keine Kinder zu haben. Die Aufmerksamkeit auf TikTok ist der Dame garantiert. Auch aus der Klimaretter-Szene. Die „Generation Zukunftsangst“ diskutiert den Verzicht aufs Kinderkriegen und hat zugleich große Sorgen um die eigene Altersversorgung.

 

Der Geburtenrückgang in den großen Städten belegt, dass die Problematik in der Realität angekommen ist. Und dass auf den ländlichen Raum mit seinen stabilen Geburtenraten die Last zukommen wird, neben den dortigen Armutsproblemen auch noch die Renten in den Metropolregionen zu finanzieren.

 

Schuldzuweisungen wären fehl am Platze. Die Mietpreise in den Ballungsräumen nehmen selbst Normalverdienern die Chance auf ein paar Jahre Elternzeit. Kinder zu haben ist dort eng verbunden mit dem Risiko des sozialen Abstiegs. Zugleich ist das urbane Dasein geprägt durch den sozialen Druck, über teure Statussymbole Dazugehörigkeit zu zeigen. Vom teuren Auto bis zur Kinderkleidung angesagter Marken.

 

Selbst für „gesellschaftsfähige“ Fahrräder werden Summen fällig, für die es eine Generation zuvor noch Kleinwagen gegeben hat. So viel zum Thema Lastenfahrräder und neue Bescheidenheit. Weit alarmierender ist die intellektuelle Mode, den Menschen an sich als das größte Umweltproblem zu begreifen. Und auf die allzu einfache Antwort hereinzufallen, dass es in dieser Lage unverantwortlich sei, noch mehr Kinder in die Welt zu setzen.

 

In Schweden – oft voraus, wenn es um soziologische Trends geht – beherrscht das Thema Geburtenverzicht schon die Massenmedien. Vor fünf Jahren rechnete dort die Universität von Lund vor, dass der Verzicht auf ein Kind gut fünfzigmal mehr Kohlendioxid einspare als der Umstieg auf vegane Ernährung. Eine höchst umstrittene These, weil die Autoren Kinder und Kindeskinder der Ungeborenen mitrechneten.

 

In Italien hat ein großer Produzent von Kindernahrung Experten nachrechnen lassen mit dem Ergebnis, dass die einst so kinderverliebte Nation bei anhaltend niedrigen Geburtenraten bis 2060 ein Drittel ihrer Bevölkerung verlieren wird. In Genua, der Stadt mit Europas höchstem Durchschnittsalter, fanden die Experten gerade noch zwei Läden für Baby-Bedarf, aber 15 Geschäfte für Haustier-Accessoires.

 

Negative Bilanz in Metropolen

 

In Deutschland wurden die Details der Geburtenstatistik zuletzt vor drei Jahren untersucht. Insgesamt ist die Bilanz noch positiv. Aber in den Metropolen – voran München – übersteigen die Sterbefälle längst bei weitem die Geburten. Ohne Zuzug aus der Provinz und dem Ausland wäre die „Weltstadt mit Herz“ ein dahinsiechendes Gemeinwesen mit noch massiveren Personalproblemen, zumal im Niedriglohnsektor.

 

Von der Kriminalitätsrate über die Obdachlosen-Zahlen und den Anteil der Empfänger von Transferleistungen bis zur steigenden Zahl älterer Menschen, die mangels Familienpflege auf Altenheime angewiesen sind, wachsen die Probleme einer alternden Metropol-Gesellschaft mit extremen Einkommensunterschieden. Diese produziert nicht nur ein Prekariat im Bereich der Niedriglöhne, die eigentlich nicht ausreichen, um in teuren Großstädten zu leben. Sie produziert auch dramatischen Anstieg von Armutsrenten.

 

Der Politik fallen kurz gedachte Antworten ein

 

Nicht nur in Italien fallen der Politik überwiegend kurz gedachte Antworten ein: Weder ergänzende Altersrenten aus Kapitalmarkt-Renditen noch weiter steigende Mindestlöhne werden die Armutsrisiken beheben. Schon gar nicht, wenn es an Sensibilität für die Frage fehlt, ob sich Normalverdiener politische Weichenstellungen überhaupt leisten können. Siehe das geplante Verbot neuer Gas- und Ölheizungen, das gerade im ländlichen Raum so manche Familie zum Verkauf des Eigenheims zwingen wird.

 

Auch wenn bei den Jüngeren die Angst vor dem Klimawandel (noch) größer sein mag als die Angst vor der Altersarmut und sozialer Verwerfung: Die Vorstellung, dass bald auf einen Erwerbstätigen die Finanzierung eines Rentners zukommen könnte, ist realer als die Sorge um den vermeintlich bevorstehenden Weltuntergang. Und auch Letzterer lässt sich kaum aufhalten, wenn sich immer mehr Menschen ums tägliche Brot sorgen. Statt den Herausforderungen mit Lebensmut und Erfindergeist zu begegnen. Und mit der Überzeugung, dass sie das ihren Kindern schuldig sind.

 


Lesen Sie auch:

Die grüne Phantasie-Welt: Aus für alles? In der Summe ist es schon eine Menge, was grüne Extrempolitik den Menschen zumutet, die sie nicht gewählt haben

 

Hier können Sie sich für unseren wöchentlich erscheinenden Newsletter anmelden.

 

Keinen neuen Blog-Beitrag verpassen: Folgen Sie uns bei Twitter und Facebook!

natur+mensch – der Blog ist eine Initiative der Stiftung natur+mensch

Copyright © 2023 Stiftung natur+mensch - Havixbeck - Alle Rechte vorbehalten.