Ohne Moos nichts los

Die Volks- und Raiffeisenbanken haben tausende Geldautomaten abgebaut und stehen damit nicht allein da. Gerade auf dem Land fürchtet man um die Bargeld-Versorgung

Blick auf die Tastatur eines Geldautomaten. (Foto: Rainer Sturm / pixelio.de)
Blick auf die Tastatur eines Geldautomaten. (Foto: Rainer Sturm / pixelio.de)

 

Von Wolfgang Molitor

 

Die Bundesbank sagt es klipp und klar: Die Möglichkeit, an der Ladentheke oder Tankstelle Geld abzuheben, kann allenfalls eine Ergänzung sein, an Bargeld zu kommen. Auf jeden Fall ist sie kein Ersatz. Die Bundesbank liefert dazu Zahlen: Ihren Angaben zufolge entfielen 2021 insgesamt 81 Prozent der Geldabhebungen auf Geldautomaten, und elf Prozent erfolgten am Bankschalter. Die Ladenkasse kam nur auf acht Prozent. Noch immer werden 30 Prozent aller Zahlungen mit Scheinen und Münzen getätigt. 

 

Seit 2018 ist die Zahl der Geldautomaten bundesweit von 59.000 auf 55.000 (das Analysehaus Barkow Consulting spricht sogar von nur noch 48.000 und verweist auf Doppelzählungen), die der Bankfilialen von knapp 30.000 auf rund 23.000 (im Vergleich zu 2006 eine Halbierung) zurückgegangen. Was der Kunde braucht, was er überwiegend nutzt und worauf er nur schwer verzichten kann, interessiert die Geldinstitute indes wenig. Sie schützen bei ihrer Entscheidung, immer mehr Geldautomaten abzubauen, ein sinkendes Kundeninteresse und ein zunehmendes Sicherheitsrisiko vor (in der Tat gab es 2021 fast 500 Angriffe, 2023 bereits rund 70 Sprengungen von Automaten). Ein Abbau mag da in Städten mit einem engen Bankennetz halbwegs praktikabel und akzeptabel sein. Im ländlichen Raum, wo es erst im Nachbarort wieder einen Automaten gibt, um große Teile seines Gehalts oder seiner Rente für den Alltagskauf abzuheben, ist das unerträglich. 

 

Die Volks- und Raiffeisenbanken, als Genossenschaft vor allem auf dem Land weiter stark genutzt und beliebt, haben 2021 und 2022 rund 1800 Geldautomaten abgebaut. Ihre Zahl ist Ende 2022 damit auf 15.520 gesunken. Per saldo also um gut zehn Prozent. Auch der Privatkunden-Marktführer Sparkassen legt weiter in großem Stil Geldautomatern still. Ihre Zahl ging 2021 (neuere Zahlen liegen nicht vor) um 1034 auf 21.582 zurück. Laut Angaben des Sparkassenverbands lag ihre Zahl zuvor mehrere Jahre stabil bei rund 23.000. Die Kunden wollen das so, behaupten die Bankhäuser. Ihr Todesurteil für immer mehr Automaten heißt Onlinebanking. Dass der Trend in diese Richtung geht, ist unbestritten. Online-Überweisungen sowie das Bezahlen mit Kreditkarten und per Smartphone sind auf dem Vormarsch.

 

Auch die Post zieht sich zurück

 

Ins Bild ländlicher Regionen passt dazu, dass sich auch die Post zurückzieht. Laut Bundesnetzagentur waren Ende Januar 2023 genau 174 Standorte nicht mehr besetzt, trotz staatlicher Vorschrift. Das mag bei rund 12.000 Pflichtstandorten noch immer wenig klingen, trifft aber jeden Ort hart, in dem seine Bewohner lange Wege zur nächsten Filiale, oft mit unzureichenden Verbindungen des ÖPNV auf sich nehmen müssen. Die beruhigend klingende Behauptung der Banken, im bundesweiten Durchschnitt sei der nächste Automat noch immer nur 1,6 Kilometer entfernt und in 95,4 Prozent sogar weniger als einen Kilometer, klingt im ländlicher Raum wie statistisch ummauerter Hohn. Fakt ist: Für immer mehr Bürger wird es immer komplizierter, an Bargeld zu kommen – mag die Bundesbank auch darauf hinweisen, dass 79,8 Millionen Bürger (96 Prozent der Bevölkerung) eine Bankfiliale oder einen Geldautomaten in der eigenen Gemeinde haben. 

 

Noch sieht die Bundesbank die Bargeldversorgung gesichert

 

Geld, Post und Arzt: Das sind die drei wesentlichen sozialen Kernelemente, ohne die dörfliche Gemeinschaften langsam ausbluten. Ehrenamtliche Strukturen können die Löcher nicht stopfen. Noch sieht die Bundesbank die Bargeldversorgung gesichert. Aber sie warnt in ihrem aktuellen Januar-Monatsbericht: „Der zu beobachtende Rückbau von Geldautomaten und Bankschaltern birgt ein Risiko, dass das bestehende Netz der Abhebungsorte Risse bekommt.“ Vor allem im ländlichen Raum wäre dann ohne bares Moos nix mehr los.

 


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