Was in Berlin so alles läuft – Woraus wir alles noch aussteigen müssen – Wo Schieflagen uns beschäftigen

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

Liebe Leserinnen und Leser unseres Politblogs,

 

wir können machen was wir wollen, auch wenn wir uns bevorzugt um die Strukturpolitik ländlicher Räume kümmern und politische Themen beleuchten, die darauf ausstrahlen: Die Musik spielt in Berlin. Das ist dort, wo in dieser Woche neben den großen Themen der Weltpolitik von den Ausflügen des Kanzlers und der Außenministerin nach Indien, ein erstaunlicher Vorgang in der Stadtpolitik eingeleitet wurde. Mit den 53 Stimmen, die die SPD nach dem amtlichen Endergebnis der Wahlen zum Abgeordnetenhaus vor den Grünen liegt, ist selbst bei Franziska Giffey die Einsicht gewachsen, dass das rot-rot-grüne „Weiter-so“ doch nicht der Stimmung der Menschen in der Hauptstadt entspricht. Die Erkenntnis, dass am Wahltag der bisher regierenden Koalition eine Viertelmillionen Wähler von der Fahne gegangen ist, hat sich bei ihr spät durchgesetzt. Eigentlich wollte sie als Regierende Bürgermeisterin weitermachen. Unter Schmerzen für sie und auch größere Teile ihrer Partei wird nun mit der CDU über eine sogenannte Große Koalition verhandelt. Sogenannt deshalb, weil rund 46 Prozent der Stimmen für Christ- und Sozialdemokraten zusammengezählt so „groß“ auch nicht mehr sind. Gleichwohl hat sich Giffey dazu durchgerungen, nun vom „Respekt vor dem Wahlergebnis“ zu reden. CDU-Mann Kai Wegner kann sich nun darauf einrichten, als Regierender Bürgermeister in das Rote Rathaus einzuziehen, das damit jetzt wieder einmal einem Schwarzen die Türen öffnen wird.

Jost Springensguth    Redaktionsleitung / Koordination
Jost Springensguth

Der Weg dorthin ist immer noch steinig, weil die Kompromisslinien zwischen CDU und SPD für einen Koalitionsvertrag im Detail gefunden werden müssen. In der vorangegangenen Sondierung hat es dann doch offensichtlich mehr Schnittmengen gegeben als in den Gesprächen mit den Grünen – etwa, wenn es um Themen wie Verkehr, Sicherheit auf den Straßen und in den Häusern, Wohnungswirtschaft und schlicht um die Verwaltungsqualität in diesem städtischen Behördendickicht geht. Jetzt warten wir mal ab, was da alles besser wird. Zumindest ist in den letzten Tagen auch mit Blick auf das Regierungsviertel rund um den Reichstag und das Kanzleramt die Erkenntnis gereift, dass eine Zweierkoalition doch besser funktionieren könnte als das Regieren zu dritt.

 

Damit sind wir beim aktuellen Zustand der Ampel angekommen, der nach den Briefwechseln zwischen Finanzminister (FDP) sowie Wirtschafts- und Klimaminister (Grüne) aktuell alles andere als gut ist. Der Kanzler und seine SPD halten sich aus diesen Meinungsverschiedenheiten erst einmal raus. Dabei kann es schnell gehen, dass sie in den Strudel geraten, wenn sich aus dem Briefverkehr Bruchstellen in der Koalition entwickeln. Insofern strahlt die Berlin-Wahl auch auf die Union und insbesondere den CDU-Vorsitzenden aus. Friedrich Merz ist dabei, weitere politische Kraft aufzubauen, die ihm die Hoffnung gibt, in der Wählergunst Stabilität oberhalb der 30-Prozent-Marke zu festigen. Mit Blick auf die anstehenden Wahlen in verschiedenen Bundesländern wie etwa Hessen und Bayern wächst beim CDU-Chef das Selbstbewusstsein, zumal Söder ihm nicht in die Quere kommen kann. Er hat in Bayern landespolitisch genug zu kämpfen.

 

Was gab's aus dem Bund in dieser Woche noch Neues? Das ist neben der Aussicht auf die feministische Außen- und Entwicklungspolitik die Ankündigung Habecks, künftig den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen zu verbieten. Nach dem, was wir mit dem Ausstieg aus den Verbrennern erleben, sind das ganz neue Dimensionen grüner Veränderungspolitik. Natürlich soll der Heizungsaustausch staatlich gefördert werden. Bei dem, was alles schon an Transformationsvorhaben aus öffentlichen Mitteln mitfinanziert wird, wächst das zu einer ganz anderen Gefährdung künftiger Generationen. Das schwerste Erbe werden dann nicht das Klima, sondern die so verursachten Finanzierungslasten sein. Soviel zum Nachholbedarf bei den weiteren Klimazielen der Grünen – nun im Gebäudebereich. Städteplaner, Fachingenieure und Architekten sowie die gesamte Wohnungswirtschaft wissen nicht, wie sie das stemmen sollen. Dabei kommen die Stadtwerke vor Ort kaum damit klar, die für Anfang März angekündigten neuen Abrechnungen zur Einführung der Gas- und Strompreisbremse in die Haushalte zu bringen.

 

Es sind also die Dinge des Alltags, die uns weiter bewegen. Die Frist zur Abgabe der Grundsteuererklärungen ist längst abgelaufen. Gleichwohl sind sie längst nicht alle in den Finanzämtern. Dabei fällt auf, dass die entsprechende Verpflichtung für öffentliche „Liegenschaftsinhaber“ weitgehend nicht eingelöst wurde. Viele Kommunen, Länder und auch der Bund haben es längst noch nicht geschafft, hier pünktlich und vorbildlich zu handeln.

 

Zu den Alltagserlebnissen gehören in dieser Woche in Stadt und Land weiter die verschieden Streikmaßnahmen, mit denen insbesondere die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi das Land überzieht. Wie sehr das die Falschen und weniger die Tarifpartner selbst betrifft, hat uns bereits in diesem Blog beschäftigt. Was ich meine, schildere ich an einem plastischen Beispiel. Gegen wen richtet sich wohl der Ärger von mehreren tausend Menschen, die am Dienstagabend vor den Toren der Düsseldorfer Messe auf ein Taxi warten mussten, weil Busse und Bahnen nicht fahren? Im Verhältnis zwischen dem Instrument Warnstreik bei Friedenspflicht und dem Streik nach einer Urabstimmung ist eine Schieflage entstanden.

 

Solche Schieflagen beschäftigen uns zunehmend. Dazu gehört auch diese unsägliche Demonstration, die gegenseitig untergehakt Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer (richtig gelesen: nicht Weidel) in Berlin auf die Straße gebracht haben. Abgesehen von diesem links- und rechtsextremen Mischmasch ihres „Aufstandes für den Frieden“, der das völkerrechts- und menschenrechtswidrige Vorgehen russischer und Wagner-Soldaten ausblendet, wachsen hier innenpolitische Gefahren. Das vermeintliche „Vom Krieg in Ruhe gelassen werden“ führt uns am Ende noch an die Folgen dessen heran, was Putin da seit einem Jahr treibt. Hugo Müller-Vogg, der regelmäßig auch für uns schreibt, veröffentlichte dazu einen lesenswerten Beitrag der unter dem Titel „Die Verbindung von Intelligenz und Skrupellosigkeit macht Wagenknecht so gefährlich“ in seinem Blog www.hugo-mueller-vogg.de zu finden ist. Wenn Sie über unseren Text hinaus noch etwas anderes zu Gemüte führen möchten, so kann ich diese Betrachtung ebenfalls einmal zur Lektüre empfehlen!

 

Mit diesem Rückblick auf diese Woche wünsche ich Ihnen im Namen unseres Redaktionsteams ein schönes Wochenende. So sehr wir die kühlen Sonntage zu Beginn des Monats März mit dem kalendarischen Frühlingsanfang genießen konnten, so wünsche ich für Feld, Wald und Flur mal wieder mehr Regen.

In diesem Sinne

Ihr
Jost Springensguth
Redaktionsleitung / Koordination

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