Mit dem Deutschlandticket in die Sackgasse

Politiker verteilen einseitig Wohltaten, statt sich auf die wirklichen Probleme zu konzentrieren. Busunternehmen zögern noch

Ein Bus der SSB in Stuttgart. (Symbolbild: _Leon)
Ein Bus der SSB in Stuttgart. (Symbolbild: _Leon)

 

Von Jürgen Wermser

 

Politiker in Bund und Ländern klopfen sich momentan gegenseitig auf die Schultern. Gleichwohl ist das Thema nach jüngsten Meldungen noch nicht rund und abgehakt. Ab dem ersten Mai soll es nach den bisherigen Vereinbarungen den Menschen in Deutschland möglich sein, ein bundesweit gültiges ÖPNV-Monatsticket für den Preis von 49 Euro zu erwerben. Derweil gibt es noch letzte Widerstände - so vieler Busunternehmen insbesondere in Niedersachsen, die sich bei der Finanzierung bisher zu kurz gehalten fühlen. Sie wollen das 49-Euro-Ticket auf den von ihnen bedienten Linien nicht akzeptieren. Private Betreiber sind von den Verkaufserlösen abhängig und drängen auf eine gesetzliche Regelung für Ausgleichszahlungen bei Einnahmeverlusten.

 

Am 3. März ist das 49-Euro-Ticket Thema im Bundesrat. Da sind noch kontroverse Debatten zu erwarten. Rund läuft das Thema damit auch kurz vor dem geplanten Verkaufsstart immer noch nicht. Die Länder drängen auf eine langfristige Finanzierungsregelung über 2025 hinaus, wobei der Bund seine Zusage über Kostenbeteiligung zunächst bis dahin begrenzt sehen will.

 

Ungleichbehandlung von Stadt und Land

 

Was während der Corona-Pandemie als kurzzeitige soziale Entlastung für neun Euro eingeführt worden war, soll jetzt nach langer Wartezeit als Bund-Länder-Kompromiss trotzdem eine teure Wiedergeburt feiern. Noch nicht ganz vergessen scheinen die früher geäußerten Bedenken wegen zu hoher Kosten, zu geringer Umwelteffekte und zu vieler Mitnahmeeffekte zu sein. Auch die massive Ungleichbehandlung von Großstädten und ländlichen Regionen sollte die gute Stimmung nicht verderben.

 

Das Angebot der Billigfahrten werde schon noch überall für die entsprechende Nachfrage und Zufriedenheit sorgen - so das etwas herablassend und gönnerhaft wirkende Kalkül der Regierenden. Keiner von ihnen möchte durch Kritik am ÖPNV zum politischen Spielverderber werden. Dabei sollte doch jedem von vornherein klar gewesen sein, dass vor allem urbane Berufspendler - egal welcher Einkommensgruppe - sich über den Geldsegen freuen dürften. Denn sie nutzen für den Arbeitsweg zumeist ohnehin den ÖPNV. Ihre Jobtickets und Monatskarten werden in der Regel günstiger werden. Insofern ist es wenig überraschend, dass Großstädter eher für ein 49-Euro-Ticket zahlen wollen als Bewohner von Kleinstädten oder ländlichen Regionen - so das Ergebnis einer kürzlich vom Portal Statista verbreiteten PwC-Umfrage.

 

Der Vorgang zeigt exemplarisch, wie großstädtisch-fixiert führende Politiker in Deutschland immer noch denken und handeln. Zwar mag es eine Reihe von Bürgern auch im ländlichen Raum geben, für die das 49-Euro-Ticket eine willkommene Entlastung bedeutet. Doch das hierfür eingesetzte Geld fehlt dem Staat zwangsläufig an anderer Stelle. Bekanntermaßen hat der ÖPNV im ländlichen Raum weniger ein Preis- als ein Qualitätsproblem, sprich: es ist egal, was die Fahrkarte kostet, wenn Bus oder Bahn ohnehin nicht oder nur selten fahren. Falls der Staat dies zu Recht ändern will, muss er viel Geld in den Ausbau und die Modernisierung investieren - Geld, das jetzt als angebliche „Wohltat“ ziellos mit dem Deutschlandticket an Pendler und sonstige Reisende verteilt wird.

 

Großer Bedarf an anderer Stelle

 

Anders ausgedrückt: Das 49-Euro-Ticket ist verkehrspolitisch kein großer Wurf. Die Zeche zahlen alle Steuerzahler, insbesondere diejenigen im ländlichen Raum ohne ordentlichen ÖPNV-Anbindung. Das ist umso ärgerlicher, als jenseits der großen Ballungsräume ein großer Bedarf an staatlichen Investitionen herrscht. Dies gilt vor allem für eine flächendeckende Internetversorgung, die modernes Arbeiten und Wirtschaften ermöglicht - sei es im Home Office, in Betrieben oder nicht zuletzt auch in der Landwirtschaft.

 

Bauern stehen vielfach in der Kritik von Umwelt- und Artenschützern, während ihnen gleichzeitig durch mangelnde Möglichkeiten zu umfassender Digitalisierung, unnötig Steine in den Weg gelegt werden. Denn wer zu Recht mehr Ökologie auf den Feldern fordert, sollte sich modernen und computergesteuerten Arbeitsweisen nicht verschließen. In der Landwirtschaft sind dank neuer Technologien bahnbrechende Fortschritte in der zielgenauen und schonenden Bewirtschaftung möglich - vorausgesetzt natürlich, es gibt eine stabile Satelliten- bzw. Internetverbindung. Und da heißt es vielerorts leider immer noch: Fehlanzeige.

 

Kurzum, es gibt reichlich Bedarf an sinnvollen und zukunftsträchtigen Investitionen des Staates im Bereich Verkehr, Umwelt und ländlicher Raum. Umso ärgerlicher ist es, wenn stattdessen sehenden Auges das Geld für sozial unausgegorene und ökologisch wenig zielgerichtete Prestigevorhaben wie das 49-Euro-Ticket verpulvert wird. 

 


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