Jahrestag des Ukrainekriegs – Folgen für den ländlichen Raum – Steigende Preise – Schwierige Flüchtlingslage – Sorge um Patienten

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

Liebe Leserinnen und Leser,

 

es ist erst ein Jahr her, dass die russische Armee massiv in die benachbarte Ukraine eingedrungen ist und versucht, die dortige Regierung zu stürzen und das Land zu erobern. Trotzdem kommt es mir wie eine Ewigkeit vor. Die Welt hat sich seitdem radikal gewandelt. Dies gilt nicht zuletzt für die Bewohner des ländlichen Raums, zu denen auch ich zähle. Sie spüren die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Angriffskriegs. Dabei denke ich etwa an die steigenden Preise insbesondere für Benzin und Diesel. Auch die Energie- und Düngerkosten in der Landwirtschaft sind in den vergangenen zwölf Monaten viel höher geworden. Stadtbewohnern mag all dies nicht als großes Problem erscheinen. Doch sie haben auch gut reden, denn in Ballungsgebieten kann man leicht auf den öffentlichen Nahverkehr ausweichen, zumal dieser auch noch sehr stark subventioniert wird - nicht zuletzt mit den Steuergeldern von Menschen aus dünner besiedelten Gebieten.

Jürgen Wermser
Jürgen Wermser

Das 49-Euro-Ticket ist dafür das beste Beispiel. Wer auf dem Dorf oder in einer Kleinstadt auf dem Lande wohnt, kann leider auf Busse und Bahn nur sehr eingeschränkt zurückgreifen. Die Gründe sind bekannt und in unserem Politblog schon des Öfteren thematisiert: zu wenige Verbindungen und zu seltene Abfahrtszeiten, von einem Verkehrstakt wie in der Großstadt ganz zu schweigen. Unter solchen Bedingungen wird das eigene Auto im ländlichen Raum nicht zum Spaßobjekt, sondern zu einer zwingenden Notwendigkeit, um den Lebensalltag zu meistern. Und obendrein zu einem immer teureren, die sich viele kaum noch leisten können - siehe oben. Stichwort steigende Preise für Benzin und Diesel. Viele Menschen aus meinem Bekanntenkreis, insbesondere jüngere Familien und auch Senioren, können davon ein garstig Lied singen.

 

Doch damit nicht genug. Die Flüchtlingssituation wird vielerorts im ländlichen Raum immer schwieriger. Den Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine flüchten, muss fraglos geholfen werden. Das ist eine politische und auch christliche Pflichtaufgabe. Doch in so mancher kleinen Gemeinde stößt man hier an seine Grenzen. Die zahlenmäßige Überforderung hat hier schon zu heftigen Protesten geführt. Das ist bitter für die betroffenen Flüchtlinge, für den Ruf der Region und letztlich auch des ganzen Landes. Denn solche Nachrichten und Bilder gehen schnell um die Welt - speziell wenn sie aus Deutschland kommen. Man mag dies bedauern, aber kann es angesichts unserer politischen Vergangenheit leider kaum verhindern.

 

Umso wichtiger ist es, dass überall Voraussetzungen geschaffen werden, um Menschen in Not angemessen zu helfen. Kleinere Kommunen, die fernab der Großstädte liegen, drohen dabei ins Hintertreffen zu geraten. Sie gehören auch sonst zu denjenigen, die am ehesten vernachlässigt werden. Es mangelt ihnen häufig an einer wirksamen politischen und medialen Lobby. Die negativen Folgen sind für jeden Einzelne auf dem Land spürbar. Ein Beispiel ist die vergleichsweise schlechtere Versorgung mit schnellem Internet und bei den Gesundheitsdienstleistungen droht gerade im ländlichen Raum ein Kahlschlag, etwa bei Krankenhäusern. Sie gelten staatlichen Planern oft als zu klein, zu teuer, zu ineffektiv. Eine solche Kritik mag im Einzelfall auch berechtigt sein. Doch für die Bewohner des ländlichen Raums gehören „ihre“ Krankenhäuser vor Ort nun mal zu den ersten Anlaufstationen bei schweren Erkrankungen. Mehr noch: Wer die Wege zur nächsten Klinik unnötig verlängert, gefährdet die Gesundheit und das Leben von Millionen Menschen. Zu Recht hat kürzlich die Stiftung Patientenschutz davor gewarnt, bei Sparmaßnahmen mit der Schließung von Krankenhäusern in kleineren Kommunen zu beginnen. Ob der Appell gehört wird? Es ist nur zu hoffen…

 

Gewiss, ein Ende von Putins Aggression in der Ukraine wird hierzulande nicht die Probleme des ländlichen Raums lösen. Es wäre abwegig, dies anzunehmen. Gleichwohl trägt dieser schreckliche Krieg mit dazu bei, viele vorhandene Probleme noch weiter zu verschärfen. Schon aus diesem Grunde ist es unerlässlich, dass das Morden in der Ukraine möglichst bald gestoppt wird.

 

Für den Westen ist es eine große Herausforderung, dem Kremlchef erfolgreich Widerstand zu leisten. Man kann nur hoffen, dass die Kampfkraft der Ukrainer ungebrochen bleibt. Der jüngste, für amerikanische Verhältnisse beispiellose Besuch von US-Präsident Biden in Kiew, war deshalb ein ebenso richtiges wie wichtiges Zeichen der Solidarität. Das werden auch die Kriegstreiber in Moskau entsprechend eingeschätzt haben. Ob es sie mäßigen oder gar bremsen wird? Putins Rede zum Jahrestag des Einmarsches spricht leider nicht dafür, dass der Kreml so bald zur Einsicht kommen wird. Doch man soll die Hoffnung bekanntlich nie aufgeben…

 

In diesem Sinne verbleibe ich mit den besten Grüßen und Wünschen für eine gute, positiv verlaufende Woche

 

Ihr

Jürgen Wermser

Redaktionsleitung/Koordination

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