Die Berlin-Wahl und ihre Folgen – Vom Flüchtlingsgipfel, der kein Gipfel war – Die EU und ihre Abgasregeln

Gedanken, Anmerkungen und Beobachtungen mit dem Blick aufs Land und zurück auf diese Woche

 

Liebe Leserinnen und Leser unseres Politblogs,

 

nix verstanden. Mit diesem verbreiteten Eindruck blickt seit letztem Sontag Deutschland auf unsere Hauptstadt. Selbst die alternativ-links verortete „taz“ produziert die Schlagzeile „Berlin ärgert sich schwarz“ und stellt der CDU das Zeugnis einer erfolgreichen Protestpartei aus und merkt an: Wer hätte das jemals gedacht? Dieser Auftakt in das Wahljahr mit folgenden Landtagswahlen in Bremen, Bayern und Hessen sowie einer Kommunalwahl in Schleswig-Holstein hat eine politische Ausstrahlung auch in ländlich strukturierte Regionen. Da erinnern wir uns als erstes an Nancy Faeser, die ihre Berliner Erfahrung im Job-Splitting als Innenministerin und Spitzenkandidatin zur Landtagswahl in ihre hessische Heimat tragen will. 

Jost Springensguth
Jost Springensguth

Zunächst einmal bleibt es in Berlin dabei, dass SPD, Grüne und Linke versuchen, aus ihrer Niederlage einen Sieg zu machen und die mit Abstand von rund zehn Prozent stärkste Partei mit ihrem Spitzenmann Kai Wegner auf die Oppositionsbank zu drücken. Diesmal soll es nach anderen Beispielen früherer Wahlen die CDU treffen, wonach ein Wahlsieg nicht unbedingt zur Regierungsmacht führt. Dazu schrieb bereits direkt nach dem Wahlsonntag unser Autor Wolfgang Kleideiter mit seiner jahrelangen Erfahrung als politischer Beobachter, dass unsere Hauptstadt ein „Weiter so“ nicht verdient hat. Für ihn zeigt das Ergebnis, dass die Stadtgesellschaft dort zunehmend genervt ist vom politischen Umgang mit zentralen Themen wie Sicherheit und Ordnung, Verwaltungsumbau, Wohnungswirtschaft, Verkehr und Bildung. Diese Felder wurden dort mit linksgrünen Mitteln und teils ideologischen Scheuklappen beackert. Die Wähler haben darauf reagiert und auf den Stimmzetteln den Beleg ausgestellt. Vor allem die SPD mit ihrer inzwischen auch intern angeschlagenen Franziska Giffey hat offensichtlich ohne selbstkritische Reaktion diese Quittung quasi ungeöffnet abgelegt und will einfach weiter machen. Dabei hat sie auch noch zusätzlich ihren Neuköllner Heimatwahlkreis mit minus 11,3 Prozent verloren. Angeblich, so ist zu hören, denkt nun die Berliner Grünen-Spitze mit Bettina Jarasch doch darüber nach, trotz aller Differenzen ernster mit der CDU zu reden. Die Ideen zur ersehnten Verwaltungsreform liegen nahe beieinander und könnten der Hauptstadt aus den ausgelatschten Filzpantoffeln helfen, die in den meisten Bezirksämtern und im Roten Rathaus stehen. Erstmal werden noch vergessene Stimmzettel eingerechnet und ein Direktmandat per Los vergeben. Da sage noch einmal einer, in Berlin läuft alles rund!  

 

Ein weiteres großes und bis in den letzten Winkel entlegener Regionen wirkendes Thema hat am Donnerstag zum sogenannten Flüchtlings-Gipfel geführt. Schon vorher haben wir uns mit dem Druck auf Landkreise und Kommunen beschäftigt. In den Rathäusern und Landratsämtern wissen sie einfach nicht mehr weiter. Einen authentischen Zeugen hat Markus Lanz mit dem Grünen-Landrat aus Miltenberg, Jens Marco Scherf, in seiner  Sendung gehabt. Dieser grüne Praktiker hat mit dem Politik-Versagen bei Migration und Integration im Klartext abgerechnet. Dass er ausgerechnet von Boris Palmer Applaus bekam, wird den Grünen Hardlinern – wie wir sie etwa gerade in Berlin erleben – übel aufstoßen. Fakten auszublenden, kann die Probleme nun einmal nicht lösen. Und Probleme gibt es nun einmal genügend auch auf dem Lande, wie anschaulich aus dem Dörfchen Upahl deutschlandweit zu lesen und zu hören ist. 500 Einwohner wehren sich dort gegen eine Sammelunterkunft für 400 Flüchtlinge. Jürgen Muhl hat für unseren Blog schon vor dem Faeser-Gipfel mit dem Präsidenten des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, gesprochen. Seinen Landrats-Kollegen reicht der Termin im Innenministerium nicht aus. Verbittert stellt er fest, dass das Kanzleramt "abweisend" reagiere und Kanzler Scholz abtauche. Das Treffen im Innenministerium hilft den betroffenen Kommunen offensichtlich nicht viel weiter. Es produzierte Schlagzeilen wie „Mehr Kooperation – kein neues Geld“. Ein digitales Dashboard soll weiterhelfen, das Zahlen transparent macht. Allgemein wird festgestellt, dass mehr Wohnraum geschaffen werden soll. Dann wird ein Spitzengespräch des Kanzlers mit den Ministerpräsidenten angesetzt, in dem dann auch das Thema Geld auf der Tagesordnung steht. Das wäre dann der richtige Gipfel. Sager kann sich damit bestätigt fühlen: Scholz redet nicht direkt mit den Kommunen. Vielleicht denkt der eine oder andere rot-grüne Protagonist mal darüber nach, ob unsere sogenannte Willkommenskultur außerhalb von Fachkräften noch zu uns passt.

 

Schon mehrfach haben wir in unserem Blog über den ohnehin schon strammen Schritt berichtet, den die EU mit ihren Verschärfungen bei den CO2- und Abgasregeln weiter beschleunigt. Unser Wirtschafts-, Auto- und Hochpreis-Energieland kommt da kaum noch hinterher, um mit den zu erwartenden Einbrüchen in der Verkehrsstruktur fertig zu werden. Das gerade vom Europäischen Parlament beschlossene Verbrenner-Aus werden wir in der kommenden Woche mit den zu erwartenden Auswirkungen noch einmal näher betrachten. Es trifft überwiegend die Menschen, die weite Wege ohne öffentliche Verkehrsmittel zu ihrer Arbeit zurücklegen müssen.

 

An diesem Wochenende teilt sich auch unsere Leserschaft. Die einen feiern Karneval, andere etwa in Norddeutschland bekommen von Alaaf und Helau nicht viel mit. Weitere fliehen auf Inseln und Berge, um dort auch mal in der Natur und in Ruhe auszuspannen. Da bietet sich vielleicht auch die Lektüre unseres Autorenteams an.

 

Mit dieser Empfehlung verbleibe ich diesmal mit besten Grüßen, bevor beim nächsten Mal wieder Jürgen Wermser diese Wochenendkolumne schreibt und dann wieder unsere Blog-Themen zusammenfasst.

 

Ihr

Jost Springensguth

Redaktionsleitung / Koordination

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