Das Wunschkonzert der Öko-Populisten

Wie die populistischen Forderungen zu Landwirtschaft, Waldbau und Jagd die öffentliche Finanznot und die Realität ignorieren

Ein sich selbst überlassener Wald mit Totholz. (Symbolbild: Jan Mallander)
Ein sich selbst überlassener Wald mit Totholz. (Symbolbild: Jan Mallander)

 

Von Michael Lehner

 

Sie verlangen eine Landwirtschaft ohne Chemie und möglichst ohne Maschinen. Sie wollen 400.000 ehrenamtliche Jäger durch vom Staat bezahlte „Ranger“ ersetzen. Und sie wollen, dass der Forst möglichst ohne jeglichen Profit aus Steuermitteln unterhalten wird. Die Antwort auf die Frage nach der Finanzierung ihrer Wünsche bleiben die nicht selten gut bezahlten Öko-Phantasten schuldig.

 

Beginnen wir mit dem Landbau. Hier sind viele Forderungen diverser Verbände längst Regierungspolitik. Landwirte bekommen – eher bescheidene – Ausgleichszahlungen, wenn sie ihr Land nicht mehr bewirtschaften. Und so in der Theorie mehr Artenvielfalt möglich machen.

 

Das Ergebnis war letztes Jahr zu studieren, als Agrarprodukte aus der Ukraine knapp wurden und der Bundeslandwirtschaftsminister von den Grünen sich gezwungen sah, das Gebot, auf Lebensmittelproduktion zu verzichten, zumindest zeitweise zu überdenken. Sogar der Maisanbau zur Bioenergie-Erzeugung geriet in Zweifel. Das schafften bis dahin nicht einmal die ganz konkreten Verluste an Biodiversität durch Öko(?)-Maiswüsten – bis hin zum gern beklagten Bienensterben.

 

Noch entlarvender wird’s bei näherer Betrachtung von vermeintlichen Naturreservaten in der Obhut von manchen Öko-Verbänden. Angefangen beim Mekka aller Enthusiasten, dem holländischen „Naturentwicklungsgebiet“ Oostvaardersplassen, wo jährlich bis zu 3.000 Rothirsche, Wildpferde und Rinder den Hungertod sterben, wenn sie nicht zuvor von Staatsbediensteten „erlöst“ werden.

 

„Naturlandschaft“ sorgt für regelmäßige Aufregung

 

Im brandenburgischen Havelland sorgt „Sielmanns Naturlandschaft“ regelmäßig für Aufregung. Benannt nach dem Fernsehtierfilmer und bekennenden (Großwild)-Jäger probt dort eine Stiftung die der Natur überlassene Natur in der Kulturlandschaft. Mit dem Ergebnis, dass vom Hunger geplagte Wildschweine über die Agrarflächen und Siedlungsgärten in der Nachbarschaft herfallen. Was unter dem Druck von Bürgern und Behörden dafür sorgt, dass auch in diesem Reservat groß angelegte Jagden stattfinden.

Legende ist schließlich die Zahl der Schutzgebiete, in denen sich selbst überlassene Heckrinder und Konik-Pferde unter der Obhut des deutschen Öko-Marktführers NABU verhungern. Was selbst die Umweltverbänden wohlmeinende „taz“ einen „Skandal“ nennt. Und was auch schon mal für den bemerkenswerten Umstand sorgt, dass Tierfreunde-Petitionen gegen solche Zustände auf geheimnisvollen Wegen aus dem Internet verschwinden.

 

Bemerkenswert, dass sich NABU-Verantwortliche in solcher Not regelmäßig in Schuldzuweisungen gegen die Landwirte flüchten, die im NABU-Auftrag in den Schutzgebieten die Arbeit erledigen, ohne die es offenbar wohl doch nichts wird mit der unberührten Natur. Landwirte dafür zu bezahlen, dass sie keine Lebensmittel produzieren, sondern „heilige“ NABU-Kühe füttern, ist nur ein Absurdum.

 

Ein generelles Jagdverbot und seine Folgen

 

Ein anderes ist die ständige Behauptung, dass Natur keine Jäger braucht. Gern abgeleitet aus dem schweizerischen Kanton Genf. Dort gilt seit dem Jahr 1974 tatsächlich ein generelles Jagdverbot. Mittlerweile sind die Rebhühner dort fast ausgestorben. Die Füchse vermehrten sich im Kanton so prächtig, dass nach ein paar Jahren die Räude die gesamte Überpopulation dahinraffte. Mit der Folge, dass der Feldhasenbestand schier explodierte und staatliche Hasenfänger die Mümmelmänner außer Landes brachten, um die Genfer Bauern von der Hasenplage auf ihren Feldern zu erlösen.

 

Schon vor Jahren räumte der Genfer Jägerverband „La St Hubert“ mit der Mär auf, dass die aus Steuergeldern finanzierten Ranger höchstens ab und zu mal eine Wildsau schießen. Tatsächlich bejagen sie sogar kapitale Hirsche, die der Forst für stattliche Beträge gut an „Hobby-Jäger“ vermarkten könnte. Jeder der zwölf Ranger kostet den Kanton hingegen knapp 100.000 Euro jährlich. Was auf Deutschlands Fläche hochgerechnet einen Aufwand von gut 3,5 Milliarden Euro ausmachen würde.

 

In Bayern waren wir schon auf dem Weg zu solchen Zuständen. Bis ein Landwirtschaftsminister schon vor vielen Jahren dafür sorgte, dass die Teilnahme an nicht selten feudalen Gesellschaftsjagden nicht zur Dienstzeit zählt. Das Fass zum Überlaufen brachte seinerzeit ein Gamsriegler in den Ammergauer Bergen. Bayerns Forst-Prominenz war seinerzeit in Scharen zur alpinen Drückjagd angereist, für die Jagdreiseveranstalter liebend gerne fünfstellige Beträge in die Staatskasse geblättert hätten. Das veranstaltende Forstamt geriet unlängst wieder in die Schlagzeilen, weil Beamte Bußgeld fürs Überschießen der amtlichen Rotwild-Abschusspläne zahlen mussten.

 

Wachsende Kluft zwischen zahlenden und bezahlten Jägern

 

Womöglich ein Schelm, wer bei solchen Nachrichten über mögliche Zusammenhänge zwischen (bezahltem) Jagdvergnügen und dem Klimawandel nachdenkt. So geriet letzte Woche ein Geheimpapier aus dem Obersten Bayerischen Rechnungshof auf verschlungenen Wegen zur Tagespresse: Statt noch mehr Förster-Stunden für die intensive Jagd auf Reh und Hirsch zu investieren, empfehlen die weiß-blauen Kassenwarte den Abschuss im Gatter.

 

Womit offenbar sogar die seit Jahren wachsende Kluft zwischen bezahlten und zahlenden Jägern zeitweise überwunden wurde: Gatter-Abschuss ist das so ziemlich letzte verbliebene Tabu jagdlicher Traditionen. Ein (kleiner) Teil der Jägerschaft hätte es lieber, wenn noch mehr Wölfe bei der Schalenwild-Reduktion helfen. Obwohl jüngste Studien aus Skandinavien belegen, dass es den Bäumen in Regionen mit hoher Wolfsdichte keinen Deut besser geht als anderswo.

 

Realistisch betrachtet sind so manche Tagträume obsolet. Nicht nur der, dass wir Landwirtsarbeit zu größeren Teilen von der Natur erledigen lassen und trotzdem satt werden, auch in der Dritten Welt. Sondern auch der, dass der Dienst im Forst sich künftig auf eine möglichst grenzenlose Ranger-Jagd reduzieren ließe. Und der Wald dann von alleine gedeiht.

 


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