Der Chef macht sich aus dem Staub

Bundeskanzler Olaf Scholz versagt in der Flüchtlings-Problematik

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). (Foto: Tobias Rehbein)
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). (Foto: Tobias Rehbein)

 

Von Jürgen Muhl

 

Ein Großteil der deutschen Kommunen weiß nicht mehr weiter. Wohin mit den Flüchtlingen? Die Kapazitäten sind längst erschöpft. Ob Städte oder Gemeinden – es geht nichts mehr. Bürgermeister und Landräte schlagen Alarm, werden aber von der Politik kaum gehört. Unterkünfte? Rückführungen? Wohnungsnot? Personalnot in den Behörden, so auch bei der Polizei, in Jobcentern, Schulen, in Kitas. Die Zauberformel „Integration“ ist zu den Akten gelegt worden.

 

Und das Kanzleramt zieht sich aus der Diskussion zunehmend zurück. Bundesinnenministerin Nancy Faeser, noch in Berlin im Amt und gleichzeitig als Wahlkämpferin in der hessischen Landespolitik unterwegs, soll es mit den Ländern für Berlin allein richten. Die Ministerin hat nun endlich nach wochenlangem Zögern zu dem vom Landkreistag geforderten Flüchtlings-Gipfel für Donnerstag dieser Woche nach Berlin eingeladen. 

 

Für den Präsidenten des Landkreistages, Reinhard Sager, reicht der Termin im Innenministerium nicht aus. Seit Wochen fordert Sager, Landrat des Kreises Ostholstein, einen Gipfel auf höchster Ebene, nämlich im Kanzleramt. „Dort, wo es hingehört – aber aus dem Kanzleramt kommen keinerlei Signale", sagte er als Betroffener vor Ort und als Vertreter derer, die das auch sind, gegenüber dem politischen Blog „natur + mensch“. Im Gegenteil: Das Kanzleramt reagiere „abweisend“ und Kanzler Scholz tauche ab.

 

„Rückführungs-Offensive“ steht im Koalitionsvertrag

 

Der CDU-Politiker Sager bringt dafür keinerlei Verständnis auf und verweist auf das Koalitionspapier der Ampelregierung, in dem im Wortlaut von einer „Rückführungs-Offensive“ die Rede ist. Davon, so Sager, wolle aber in Berlin niemand mehr etwas wissen. „Wir benötigen das Kanzleramt, hat doch das Innenministerium keinen Zugriff auf die Finanzmittel.“ Was den Kanzleramts-Apparat nicht anficht. Und den Kanzler selbst schon gar nicht. Dabei ist die Angelegenheit „Chefsache“. 

 

Bei allem geht es nicht um routiniertes Klagen von Verbandsvertretern und Lokalpolitikern. Nein, es sind Hilferufe aus weiten Teilen von Städten und aus dem ländlichen Raum. Auch Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetags und Oberbürgermeister von Münster, warnt angesichts der weiterhin hohen Fluchtzahlen vor einer Überforderung der Städte und Gemeinden. Allein im Januar beantragten fast 30.000 Menschen in Deutschland Asyl, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahres-Januar.

 

„Der völlig falsche Weg zur Integration“

 

Profiteure gibt es auch: So reiben sich private Besitzer von stillgelegten Kasernen die Hände. Sie füllen die letzten unansehnlichen Ecken in den Katakomben mit neu angekommenen Flüchtlingen. Die Proteste aber nehmen zu. Wie im Dörfchen Upahl aus dem nordwestlichen Mecklenburg-Vorpommern. Rund 500 Einwohner leben hier. Sie begehren vehement gegen die Ansiedlung eines Containerdorfes auf, das Platz für 400 Migranten haben soll. Der Protest aus der Bevölkerung läuft bei der Landesregierung in Schwerin ins Leere. Die ersten Container stehen bereits – in der kleinen Gemeinde machen sich Ohnmacht und Wut breit. Auch der Chef des Landkreistages hat für diese Ansiedlung kein Verständnis. „Der völlig falsche Weg zur Integration“, betont Reinhard Sager.

 

Änderungen sind nicht in Sicht, wie jetzt auf dem EU-Sondergipfel zur Migrationspolitik deutlich wurde. So ging Bundeskanzler Scholz mit keinem Wort auf die Sorgen der Landkreise und Städte ein, die seit Monaten an ihn herangetragen werden. Scholz machte es oberflächlich: Er dankte den Kommunen und den ehrenamtlichen Helfern für ihr Engagement. Das war alles.

 


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