Das Schutzbedürfnis für die Natur und die Betroffenen

Das Thema Biodiversität ist in aller Munde. Naturschützer und Naturnutzer formulieren notwendige Ziele
Auf der Montrealer Weltnaturkonferenz im letzten Dezember ist nach jahrelangem Tauziehen eine Einigung für den globalen Schutz der Natur gelungen. (Symbolbild: AndreasAux)
Auf der Montrealer Weltnaturkonferenz im letzten Dezember ist nach jahrelangem Tauziehen eine Einigung für den globalen Schutz der Natur gelungen. (Symbolbild: AndreasAux)

 

Von Jost Springensguth

 

Der Naturschutz und die Landschaftspflege, die möglichst weitgehende Erhaltung der Artenvielfalt in der Pflanzen- und Tierwelt bewegen sich im Ziel und prinzipiell im gesellschaftlichen Konsens. Wer möchte nicht eine möglichst üppige Flora und Fauna den nächsten Generationen hinterlassen? Gleichwohl haben sich mit der Industrialisierung, der Siedlungsentwicklung Konfliktlinien ergeben, etwa wenn z.B. die Versiegelung von Flächen oder Einschränkungen in der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung in die politischen Debatten einfließen. Da melden sich Betroffene, Berufene und Unberufene regelmäßig zu Wort. Da geht es dann in der Regel erst einmal um Definitionen, oft um Wünsche, natürlich um Notwendigkeiten und damit zwangsläufig um Schmerzgrenzen bei gesetzlichen und behördlichen Eingriffen.

 

Auf der Montrealer Weltnaturkonferenz im letzten Dezember ist nach jahrelangem Tauziehen eine Einigung für den globalen Schutz der Natur gelungen. Für Entwicklungsministerin Svenja Schulze ist damit eine Basis gelegt worden, „auf der wir jetzt gemeinsam aufbauen können“. Und schon im September hat der Bundeskanzler in der UN-Generalversammlung angekündigt, dass Deutschland seine Mittel für den internationalen Naturschutz ab 2025 auf jährlich 1,5 Milliarden Euro verdoppeln wird. Das sind zweifellos ambitionierte Schutzziele, wie es in der Kommunikation des Ministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) heißt. Mit (global betrachtet wenig) Geld ist nicht alles getan. Wie die Umsetzung dann weltweit und überall auf dem Globus umgesetzt werden könnte, ist weniger konkret beschrieben. Das Stichwort „global“ lenkt den Blick auf andere Länder, mehr noch auf andere Kontinente. Da wird noch viel Kleinarbeit notwendig, wie allein der Blick nach Brasilien verrät. Man mag an die politischen Rahmenbedingungen in vielen, besonders autoritär geführten, Ländern nicht denken.

 

Fast 40 Prozent der deutschen Landfläche gelten als geschützt

 

Bei uns geht es dann an das Hausgemachte – also die Ziele, die in Deutschland in Einbindung bzw. gesetzgeberischen Harmonisierung in der Europäischen Union damit auf der Agenda stehen. Da taucht erst einmal die Frage auf: Wo stehen wir da? In der Bundesrepublik sollen spätestens in sieben Jahren mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresflächen unter Schutz stehen. Das Bundesumweltministerium (BMUV) hat auf Journalistennachfrage bestätigt, dass in Deutschland bei Zusammenrechnung der Schutzgebiete aller Kategorien fast 40 Prozent der Landfläche und 45 Prozent der Meeresfläche als geschützt gelten. In der Weiterentwicklung kommt es im Detail auf die Betrachtung der unterschiedlich eingestuften Gebiete an. Da sind etwa Biosphärenreservate, Geschützte Landschaftsbestandteile, Gesetzlich geschützte Biotope, Landschaftsschutzgebiete, Nationale Naturmonumente, Nationalparke, Natura 2000-Gebiete, Naturparke und Naturschutzgebiete. Für jede Kategorie gibt es eigene Regeln, die das Bundesamt für Naturschutz auf www.bfn.de hinterlegt hat. Darüber liegt noch die europäische FFH-Richtline für die „Besonderen Erhaltungsgebiete“. In Summe liest sich das wie die Ansammlung deutscher Bürokratiefähigkeiten.

 

Schwer zu durchblicken, wo wir in Deutschland stehen

 

Unter dem Strich kann man nur anmerken, wie schwer es ist, da durchzublicken und einzuordnen, wo wir in Deutschland stehen. Bei jedem der aufgeführten Gebiete gelten teilweise sich überlagernde, aber auch unterschiedliche Regeln, die einzuhalten sind. Ist der Bereich des Privatbesitzes betroffen, so spielt nach genauerer Betrachtung das Thema Eigentum – wenn überhaupt – eine untergeordnete Rolle. Umweltverbände oder gar eine so bezeichnete Stiftung sorgen schon dafür, dass das Netz der Überwachung der Regelungsdetails nicht nur staatlichen Charakter hat, sondern fast lückenlos privat organisiert ist.

 

Es ist kaum vorstellbar, dass das nach den Montrealer Zielvereinbarungen überall auf der Welt nach deutschem Beispiel realisierbar ist. Das macht nachdenklich, wenn man die Erfolgsberichte aus Montreal und Berlin liest.

 


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