Kommunen müssen Ampelpolitik ausbaden

Für Kommunen und Landkreise wird es immer schwieriger, Geflüchteten ein Dach über dem Kopf zu bieten, sie medizinisch zu versorgen und den Kindern Kita- und Schulplätze anzubieten

Viele Landkreise haben bei der Unterbringung von Flüchtlingen ihre Belastungsgrenze erreicht. (Symbolbild: Markus Spiske)
Viele Landkreise haben bei der Unterbringung von Flüchtlingen ihre Belastungsgrenze erreicht. (Symbolbild: Markus Spiske)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

An Versprechungen aus Berlin mangelt es nicht. Im April 2022 hatte Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Bund-Länder-Gipfel den kommunalen Spitzenverbänden zugesagt, dass sie bei den Wohnkosten für anerkannte Flüchtlinge finanzielle Hilfe bekommen werden. Anlass war damals der anschwellende Flüchtlingsstrom aus der von Russland angegriffenen Ukraine.

 

Doch bis heute warten die Kommunen und Landkreise auf wirkungsvolle Unterstützung. Anlässlich einer Präsidiumssitzung in Kassel sprachen die Vertreter der Kommunen Klartext. Ausgaben für die Unterbringung würden von den Kommunen getragen, obwohl sie eigentlich vom Bund übernommen werden müssten, kritisierte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Landrat Reinhard Sager (Kreis Ostholstein). Inzwischen habe sich die Last bei den Unterbringungskosten für die Kreise und kreisfreien Städte auf zwei Milliarden Euro summiert. Der Kanzler und Bundesinnenministerin Nancy Faeser sollten endlich handeln.

 

Laut Reinhard Sager haben die Landkreise bei der Unterbringung die Belastungsgrenze erreicht. Vielerorts werden bereits wieder Festzelte oder Turnhallen genutzt, da der Wohnungsmarkt nichts mehr hergibt. Aus Sicht des Landkreistages, der rund drei Viertel der kommunalen Aufgabenträger und rund 70 Prozent der Bevölkerung in der Fläche vertritt, muss der Bund den Zustrom unbedingt begrenzen. Es werde immer schwieriger, Geflüchteten ein Dach über dem Kopf zu bieten, sie medizinisch zu versorgen und den Kindern Kita- und Schulplätze anzubieten.

 

Ärgerliche Situation beim Wohngeld

 

Ärgerlich ist aus Sicht der Landkreise auch die Situation beim Wohngeld. Die kurzfristige Verdreifachung der Zahl der Anspruchsberechtigen, fehlende Software in den Ländern und Personalmangel wird dazu führen, dass die Menschen „im günstigen Fall“ mit einer Bearbeitungszeit von mehreren Monaten zu rechnen haben. „Vor Ort müssen die kommunalen Verantwortlichen einmal mehr die Kohlen aus dem Feuer holen“, schimpfte der Präsident des Landkreistages. Die Politik hätte für die Reform einen längeren Vorlauf einplanen müssen. Besonders ärgerlich: Die Landkreise hatten sich immer für einfachere Regelungen eingesetzt. Jetzt warten sie auf die Verwaltungsvorschriften. Und belastet werden nicht nur die Wohngeldstellen, sondern auch die Jobcenter.

 

Deutschlandticket kann unzureichendes Angebot nicht ersetzen

 

Auch beim Deutschlandticket, das zum 1. April 2023 eingeführt werden soll, sind die Landkreise verärgert. Günstige Tarife allein könnten schließlich ein unzureichendes Angebot nicht ersetzen, beklagte Sager. Es sei dringend erforderlich, die Regionalisierungsmittel an die Länder um zusätzliche 1,65 Milliarden Euro zu erhöhen, um den Ausbau und die Modernisierung des Nahverkehrs in Stadt und Land voranzutreiben. Zudem müsse erst einmal der Bestand finanziell abgesichert werden. Sager: „Auch in der Fläche sollte der öffentliche Nahverkehr mehr und mehr zu einer alltagstauglichen Alternative werden.“

 

Dass bei der Ministerpräsidentenkonferenz Anfang November zusätzliches Geld ab 2025 angekündigt wurde, hilft aus Sicht der Kreise nicht wirklich weiter. Angesichts der Planungszeit und der Ausschreibungsprozesse würden Maßnahmen in der Folge erst 2027 auf der Straße und der Schiene ankommen.

 

Zwischenzeitlich nimmt das Deutschlandticket den Kommunen und Verkehrsunternehmen die Möglichkeit, Kostensteigerungen über Tariferhöhungen auszugleichen. Sager: „Refinanzierungsmechanismen werden ausgehebelt. Die Kommunen tragen das volle Kostenrisiko.“

 


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