Das große Zittern im hohen Norden

Der aktuelle Strompreis ist „viel zu hoch“, um Wasserstoff wirtschaftlich produzieren zu können

Offshore Windpark an der Nordsee. (Symbolbild: David Will)
Offshore Windpark an der Nordsee. (Symbolbild: David Will)

 

Von Jürgen Muhl

 

Eigentlich stehen in Schleswig-Holstein die Zeichen auf Expansion hin zum führenden Energie-Produktions-Standort in Deutschland. Vor der Nordseeküste entsteht einer der größten Windparks Europas. Zudem bläst der Wind regelmäßig derart stark, dass zu viel Strom produziert wird. Was schon jetzt zum Problem wird, weil die Stromtrassen in Richtung Süden fehlen. In nur acht Monaten wurde an der Elbmündung in Brunsbüttel das schwimmende LNG-Terminal fertiggestellt. Am Freitag legte das erste mit Import-Gas beladene Schiff an. Brunsbüttel-Port-Chef Frank Schnabel geht davon aus, dass schon in wenigen Monaten fast alle Kommunen an der Westküste bis zur dänischen Grenze mit diesem Gas beliefert werden können. Dazu wird in nächster Zeit eine Pipeline bis an die Stadtgrenze von Hamburg ihren Betrieb aufnehmen. Grund zur guten Laune also.

 

Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) betonte auf dem regionalen Wirtschaftsforum "Wackener Teichgespräche", Schleswig-Holstein habe große Chancen, Bayern und Baden-Württemberg als führende Wachstum-Bundesländer in den nächsten Jahren den Rang abzulaufen. Die Planungen, mittelfristig grünen Wasserstoff herzustellen, seien in "vollem Gang“.

 

Und doch gibt es große Probleme. Es wird gebangt im hohen Norden. Wie mehrere Experten ausführten, sei der aktuelle Strompreis "viel zu hoch", um Wasserstoff wirtschaftlich zu produzieren. Deutschland habe europaweit die höchsten Strompreise. Dr. Gerold Neumann vom Fraunhofer-Institut in Itzehoe warnt: "Wir dürfen nicht zu lange warten, sonst sind die Investoren woanders und es drohen neue strategische Abhängigkeiten. "

 

Verlockendes Angebot aus USA

 

Gezittert wird auch um die Ansiedlung des schwedischen Batterie-Herstellers Northvolt, der unweit der Stadt Heide ein riesiges Produktionswerk plant. Hier sollen rund 3.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Es wäre die größte Unternehmens-Ansiedlung in der Geschichte Schleswig-Holsteins. Profitieren würde der strukturschwache ländliche Raum an der Westküste.  So waren die Planungen bis vor kurzem. Inzwischen wirbt Amerika mit weitaus mehr Millionen um das Unternehmen. Das Land Schleswig-Holstein will die Ansiedlung mit 150 Millionen Euro fördern, in den USA ist die Rede von einer Milliarde Dollar. Möglich, so Daniel Günther, dass Northvolt sowohl in den USA als auch bei uns ein Werk baue. Die Entscheidung solle in Kürze fallen.

 

Daneben wollen mehrere Investoren an der Nordseeküste synthetische Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien herstellen. So ist in Brunsbüttel ein Methanol-Werk geplant. Voraussetzung ist allerdings ein stark reduzierter Strompreis. Die Energie-Experten in der Wackener Runde waren sich einig, dass es neben der E-Mobilität auch nach 2030 andere umweltfreundliche Antriebs-Energien geben werde. Zunächst einmal aber baut Rot-Grün ausschließlich auf den Stromantrieb. So will die grüne Bundesumweltministerin Steffi Lemke auch den Biosprit abschaffen. Bis zum Jahr 2030 ist der schrittweise Verzicht auf Agro-Kraftstoffe vorgesehen, die aus Pflanzen für Nahrungsmittel und Tierfutter gewonnen werden. Damit sind weitere Spannungen in der Ampelkoalition und vor allem Ärger mit Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) vorprogrammiert.

 

Der Biospritanteil im deutschen Straßenverkehr beträgt 4,4 Prozent, von dem besonders die Landwirtschaft profitiert. Der Deutsche Bauernverband kritisiert bereits Lemkes Pläne. Bei der Erzeugung von Biokraftstoffen werde hochwertiges Eiweißfutter gewonnen, sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied zur Eröffnung der Grünen Woche in Berlin. Insofern, so Rukwied, "landet bei der Produktion auch etwas auf dem Teller."

 


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