Frontalangriff auf die letzten Mittelständler der Tabakbranche

Nach Brüsseler Plänen soll die Mindeststeuer auf Zigarren und Zigarillos in Deutschland um den Faktor neun steigen

Ein Feld mit Tabakpflanzen. (Symbolbild: Dirk Schumacher)
Ein Feld mit Tabakpflanzen. (Symbolbild: Dirk Schumacher)

 

Von Ludwig Hintjens

 

Offiziell hat die Kommission ihren Vorschlag für eine Reform der Tabaksteuer noch nicht veröffentlicht. Doch ein Entwurf, der dieser Tage zirkuliert, lässt Schlimmes erwarten. Nicht Weltkonzerne wie Philip Morris, die global das Geschäft sowohl mit Zigaretten als auch mit Neuentwicklungen wie den weniger schädlichen Tabakprodukten (Stichwort „Heat not burn“) kontrollieren, müssen Sorgen haben. Es sind vielmehr die letzten Familienunternehmen und bäuerlichen Strukturen in der Tabakbranche, die mit drastischen Steuererhöhungen auf ihre Produkte rechnen müssen. Es sind etwa die Tabakpflanzer in der Pfalz sowie heimische Produzenten von Zigarillos und Zigarren, deren Geschäftsmodell in akuter Gefahr ist.

 

Die Kommission schlägt nämlich vor, die Mindeststeuer auf Zigarren und Zigarillos, um den Faktor neun zu erhöhen. Bei Pfeifentabak würde die Steuer um 445 Prozent steigen, bei Tabak für die Wasserpfeife um 310 Prozent. Bei Filterzigaretten sieht der Entwurf lediglich eine Verdoppelung der Mindeststeuer vor.

 

Dieser Vorschlag ist schon sehr ungewöhnlich. Er ist weder unter gesundheits- noch wirtschaftspolitischen Gründen zu rechtfertigen. Niemand leugnet die gesundheitlichen Gefahren des Rauchens. Etwa ein Viertel der Erwachsenen in Europa über 15 Jahren gelten als Raucher. Es ist bekannt, dass Raucher preissensibel sind. Und es sind nicht die Preissteigerungen in homöopathischen Dosen, die sie zum Nachdenken über den Ausstieg bringen, sondern die großen Preisschocks. Fakt ist aber, dass die Kommission sich über die vorgeschlagenen Steuererhöhungen ausgerechnet die Nischenmärkte vorknöpfen will. Zigarren, Pfeifen, Zigarillos, das sind nicht die Produkte, über die Jugendliche den Einstieg in den Nikotinkonsum bekommen.

 

Raucherkarrieren durch Zigaretten

 

Zwar ist der Anteil der jugendlichen Raucher in den letzten 20 Jahren nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern Europas deutlich zurückgegangen. Dennoch bleibt es dabei, dass Raucherkarrieren immer noch überwiegend im Teenageralter und zwar fast ausschließlich über Zigaretten gestartet werden. Das Ziel der EU, bis 2030 die erste nikotinfreie Generation zu haben, wird so jedenfalls nicht erreicht.

 

Während Zigaretten von großen börsennotierten Konzernen produziert und vertrieben werden, ist der Markt für Zigarren und Zigarillos in Deutschland noch immer mittelständisch geprägt. Immerhin drei Viertel der hierzulande von der Branche abgesetzten Zigarren und Zigarillos werden auch in Deutschland produziert. Häufig mit einem hohen Anteil von Handarbeit in Familienbetrieben, vielfach vom Eigentümer geführt. Die Branche ist auf strukturschwache Gebiete in Ostwestfalen, Thüringen, rund um Gießen und im Schwarzwald verteilt. Die Methoden sind personalintensiv: Die Zigarre macht beim Umsatz etwa ein Prozent vom deutschen Tabakmarkt aus, stellt aber 14 Prozent der Mitarbeiter. Wenn jemand es darauf anlegen wollte, dieser Branche den Garaus zu machen, dann wäre das Steuerkonzept von der EU durchaus dazu geeignet.

 

Auf Betreiben von Frankreich

 

In Brüssel hört man, dass die Kommission das Steuerkonzept auf maßgebliches Betreiben von Frankreich konzipiert hat. Das Nachbarland verliert ansehnliche Summen an Tabaksteuer, weil in den Nachbarländern die Produkte günstiger sind und viele Verbraucher im Ameisenhandel steuerlich günstigere Produkte aus Deutschland, Belgien, Luxemburg und Spanien ins Land bringen.

 

Klar ist: Die Begeisterung über den Vorschlag dürfte in den anderen Mitgliedstaaten überschaubar sein. Das ist die Chance, um die Brüsseler Pläne zu stoppen: Die Mitgliedstaaten haben es in der Hand, ob es eine Steuererhöhungsorgie bei Zigarren, Zigarillos und Pfeifentabak gibt. Bei Steuerfragen gilt im Ministerrat das Prinzip der Einstimmigkeit. Wenn ein Land ausschert, ist der Vorschlag der Kommission gestorben. Die Kommission sollte erkennen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie mit diesem Vorschlag im Gremium der Mitgliedstaaten untergeht, und den Entwurf noch einmal einer gründlichen Überarbeitung unterziehen.

 


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