Nord-Ostsee-Kanal: Pleiten, Pech und Pannen

Fast zwei Wochen war die meistbefahrene Wasserstraße der Welt gesperrt

Ein Containerschiff auf dem Nord-Ostsee-Kanal. (Symbolbild: Michael Treu)
Ein Containerschiff auf dem Nord-Ostsee-Kanal. (Symbolbild: Michael Treu)

 

Von Jürgen Muhl

 

Der Stillstand ist vorbei. Nach einer fast zweiwöchigen Zwangspause ist der Nord-Ostsee-Kanal jetzt wieder für den Schiffsverkehr freigegeben worden. Wenige Tage vor Weihnachten war in Brunsbüttel eine Pipeline, durch die Rohöl in die 42 Kilometer entfernte Raffinerie nach Heide in Holstein gepumpt wird, defekt. Fast 300.000 Liter liefen in eine der vier Schleusen aus. Über viele Tage hielt dieser Zustand an, bevor das Leck entdeckt wurde. Großalarm. Großeinsatz. Eine Weiterleitung in Elbe und Nordsee konnte verhindert werden.

 

Fast zwei Wochen war die meistbefahrene Wasserstraße der Welt gesperrt. Nichts ging mehr auf dem 98 Kilometer langen Kanal zwischen Brunsbüttel und Kiel. Frachter sowie Gas- und Öltankschiffe mussten den Umweg über das Skagerak oberhalb von Dänemark nehmen. Nicht einmal auf der Strecke zwischen Kiel und Rendsburg, die nicht von dem Unfall betroffen war, durfte der Schiffsbetrieb aufrechterhalten werden.

 

Was große wirtschaftliche Auswirkungen zur Folge hatte. Die erhöhten Logistikkosten und das unglückliche Krisenmanagement haben zu erheblicher Kritik in der Wirtschaft und in Verbänden geführt. Seit Jahrzehnten werde an notwendigen Investitionen in die international so bedeutende Wasserstraße gespart, heißt es bei den Industrie- und Handelskammern sowie beim Unternehmensverband Nord.

 

Dessen Hauptgeschäftsführer Michael-Thomas Fröhlich fährt schweres Geschütz auf und verweist auf ein jahrelanges Missmanagement. Der Kanal leide unter "Pleiten, Pech und Pannen". Über zehn Jahre haben die Sanierungsarbeiten im Rendsburger Kanaltunnel gedauert. Prognostiziert waren zwei Jahre. Aus zehn Millionen Euro wurden weit über 100 Millionen Euro. Dies habe allein der regionalen Wirtschaft einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet. Dazu komme das Desaster mit der neuen Rendsburger Schwebefähre, die nach nur einem Jahr im Wochenrhythmus ausfalle. In Kiel müssten ständig Brücken nach mehreren kleineren Beschädigungen gesperrt werden. Fröhlich: „Der Kanal funktioniert nur im Zusammenhang mit dem Hamburger Hafen, das weiß man in Berlin offenbar nicht. Der Verband fordert ein eigenes Kanal-Management. Die vom Bund geführte Wasser- und Schifffahrtsbehörde ist überfordert und nicht verlässlich.“

 

Kritik an Ministern aus Bayern

 

Zurückgeführt wird die Passivität unter anderem auf die Dominanz mehrerer aus Bayern kommenden Bundesverkehrsminister, die kaum gewusst hätten, wo denn dieser Kanal eigentlich zu finden sei. In der Tat: Von 2009 bis 2021 leiteten die CSU-Minister Ramsauer, Dobrindt, Schmidt und Scheuer dieses Ressort. Das Münchner Quartett tat sich regelmäßig schwer mit Investitionsfreigaben für den Kanal im hohen Norden. Es gab so gut wie kein Geld für die mittlerweile 127 Jahre alte Verbindung zwischen den beiden Meeren. Kritik aus Kiel wurde regelmäßig vom Tisch gewischt.

 

Größtes Problem sind die veralteten Schleusen. Vorhanden sind heute die kleinen Schleusen mit ihren beiden Kammern aus dem Jahr 1895 sowie die Großen Schleusen mit ihren ebenfalls zwei Kammern aus dem Jahr 1914. In Brunsbüttel wird nach langem politischem Gerangel jetzt eine zusätzliche Schleusenkammer gebaut. Erweiterungen in Kiel und Brunsbüttel sind notwendig, um den Kanal wirtschaftlich attraktiv zu gestalten. Die 14-tägige Auszeit könnte - so wird in der schleswig-holsteinischen Wirtschaft befürchtet - dem Kanal als Dienstleister geschadet haben.

 

Urlauber kommen nur, wenn Schiffe durch den Kanal fahren

 

Diese Befürchtung wird von einer Reihe von Städten und Gemeinden, die im ländlichen Raum am Kanal liegen, geteilt. Sie haben in den letzten Jahren mit der Schaffung von Wohnmobilplätzen, die in der Regel über das gesamte Jahr hinweg ausgebucht sind, eine neue Art von Wohlfühl-Tourismus geschaffen. Urlaubs-Boom auf dem Lande mit Kanalblick - hiervon profitiert der Tourismus in Schleswig-Holstein in großem Maße. Dieser Trend wird aber nur dann auch langfristig anhalten, wenn der Bund seine Pflichten erfüllt und sein Wasserstraßen-Prunkstück in einem zeitgemäßen Zustand erhält. Kommen doch die Urlauber nur, wenn Schiffe durch den Kanal fahren.

 


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