Cem Özdemir läuft sich warm

Viel deutet darauf hin, dass der Bundeslandwirtschaftsminister den ersten und bislang einzigen grünen Ministerpräsidenten, Winfried Kretschmann, ablösen will

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir auf dem Fahrrad. (Foto: © Sedat Mehder, CC BY 3.0)
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir auf dem Fahrrad. (Foto: © Sedat Mehder, CC BY 3.0)

 

Von Ludwig Hintjens

 

Neulich in Kirchberg an der Jagst. Das ist ein 4000-Einwohner-Städtchen im Kreis Schwäbisch Hall. Das Bundeslandwirtschaftsministerium ließ zu einer Nachhaltigkeitskonferenz bitten. Das allein ist noch nicht Aufsehen erregend. Die Inszenierung war es: Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte geladen. Es kam viel grüne Klientel, Vertreter von Anbauverbänden, Biobauern und Nachwuchslandwirte. Der türkische Schwabe aus Bad Urach bot zudem hochkarätige Polit-Prominenz für seine Veranstaltung in der Provinz auf: Der grüne Landesvater Winfried Kretschmann war gekommen und hielt ein knorriges Grußwort. EU-Kommissionspräsident-Vize Frans Timmermans, Architekt des Green Deal und Verantwortlicher für die Umbaupläne in der europäischen Landwirtschaft, schaltete sich in akzentfreiem Deutsch und überaus loyal per Videobotschaft zu.

 

In seiner Rede gab Özdemir sich volkstümlich. So stark Dialekt sprechen hat man ihn selten gehört. Er wich vom Manuskript ab, appellierte an die landsmannschaftlich typischen Sparreflexe. Es war mit Händen zu greifen, da legt sich ein Politiker mächtig ins Zeug und übt schon einmal. Da läuft sich der 57-Jährige warm für den Zeitpunkt, da die Grünen eine parteiinterne Amtsübergabe planen. Winfried Kretschmann, der erste und bislang einzige grüne Regierungschef eines Bundeslandes, wirkt in diesen Monaten immer kraftloser. Am 14. Mai ist er 75 geworden. Die nächsten Wahlen stehen im Südwesten im Frühjahr in drei Jahren an. Bislang hat der Politiker nichts zu seiner Zukunftsplanung durchblicken lassen. Macht er die Wahlperiode voll? Das ist angesichts seiner Mattheit kaum vorstellbar. Hört er früher auf? Gibt er das Amt vorzeitig ab? Oder wird Kretschmann den potenziellen Nachfolger vor der Wahl an seine Seite nehmen, damit der sich möglichst im Glanz des Ministerpräsidenten sonnen kann?

 

Drittes Kabinett Kretschmann: Bleierne Zeit im Südwesten

 

Bislang haben die Südwest-Grünen niemanden benannt, der Kretschmann beerben soll. Klar ist, dass es sehr schwer wird, an Kretschmanns Erfolg anzuknüpfen: Mit industriefreundlichen Positionen im Autoland Baden-Württemberg etwa zur Abgasgesetzgebung Euro 7, die sich nicht von der CDU unterscheiden, war er auch für viele Unternehmer im Land wählbar. Er hat Ältere angesprochen, wie dies kein anderer grüner Politiker vermocht hat. Die Grünen im Südwesten erleben das dritte Kabinett Kretschmann als eine bleierne Zeit und blicken mit Sorge auf die Landtagswahlen 2026. Sie wissen, dass die Zeiten des Kretschmann-Bonus, der vielen Kandidaten den Einzug in den Landtag bescherte, vorbei sind.

 

 

Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir ist der Grünenpolitiker, dem die Nachfolge am ehesten zuzutrauen ist. In Kirchberg an der Jagst trat der bekennende Vegetarier auf, in dem er die Viehhalter im Land ausdrücklich beruhigte und bis zur Grenze der Anbiederung den Landesvater lobte: „Winfried Kretschmann hat es in seiner unnachahmlichen Art mal so beschrieben: Der Wiederkäuer auf der Weide ist eine Gnade Gottes und der Natur.“

 

Nahm Kretschmann 2021 zugunsten von Özdemir Einfluss?

 

Das Verhältnis zwischen Özdemir und Kretschmann war in der Vergangenheit nicht immer unbelastet. Doch es gibt Hinweise darauf, dass Kretschmann bei der Berliner Regierungsbildung 2021 zugunsten von Özdemir Einfluss genommen hat. Eigentlich sollte Toni Hofreiter einen Kabinettsposten bekommen. Überraschend kam dann doch noch Özdemir zum Zuge. Es heißt, dass da der grüne Landesvater aus dem Südwesten interveniert habe. So wurde dem Mann zu einem Ministeramt in Berlin verholfen, das nun Sprungbrett sein soll für die Kretschmann-Nachfolge in Baden-Württemberg. Nur wann er springt, das lässt sich noch nicht sagen.

 


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