Es läuft noch nicht rund

Vor allem im Alltag könnte das Fahrrad in Dorf und Kleinstadt eine größere Rolle als bisher spielen

Ein defektes Fahrrad. (Foto: Thorsten Neuhaus)
Ein defektes Fahrrad. (Foto: Thorsten Neuhaus)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Alle zwei Jahre fühlt der ADFC dem deutschen Radfahrer den Puls. Auf Basis einer groß angelegten Umfrage, an der sich im vergangenen Jahr über 245.000 Personen beteiligten, verteilt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club Noten, kürt die fahrradfreundlichsten Kommunen und nennt die Orte, die am schlechtesten abschneiden. 1114 Städte und Gemeinden kamen beim jüngsten Fahrradklima-Test 2022 in die Wertung.

 

Eine wichtige Erkenntnis: Während große Städte nicht zuletzt wegen einer starken Radfahrerlobby viele Fördermittel abgeschöpft haben, um den Asphalt neu aufzuteilen, stockt laut ADFC in den ländlichen Regionen die Entwicklung. „Auf dem Land und in kleineren Städten passiert nicht viel für den Radverkehr, obwohl die Bedingungen zum Radfahren hier eigentlich gut sind“, urteilt der Verband.

 

Neu ist dies nicht. Im „Nationalen Radverkehrsplan 3.0“ des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, in dem unter anderem die Entwicklungsziele bis zum Jahr 2030 festgelegt worden sind, heißt es, dass die ländlichen Räume derzeit noch wenig vom Aufschwung des Fahrrads als Verkehrsmittel im Alltag profitieren.

 

Dabei sind die Voraussetzungen gut: Viele Alltagswege sind laut Untersuchungen nicht länger als zehn Kilometer. Eine Entfernung, die vor allem mit Pedelecs gut zu schaffen ist. 14 Prozent der Haushalte auf dem Land verfügen über ein E-Bike. Und die kompakten Strukturen der Klein- und Mittelstädte, ein ausgedehntes Netz an Wirtschaftswegen sowie geringere Kfz-Aufkommen als in der Stadt sind weiterer Pluspunkte.

 

Woran liegt es dann? Sicherheit und Service zählen zu den Knackpunkten. In engen Ortsdurchfahrten und auch außerhalb der Ortschaften haben es die Radfahrer mit zum Teil zu schnellen Kfz oder Schwerlastverkehr zu tun und können häufig keine separaten Radwege oder -spuren nutzen. Da hält sich der Spaß in Grenzen. Vielerorts sind im Nahverkehr die Busse zu wenig auf Radfahrer eingestellt. Der Platz ist begrenzt oder die Auslastung lässt die Mitnahme des Zweirads gar nicht zu. An den Bushaltestellen gibt es keine Möglichkeit, das Rad sicher und geschützt abzustellen. Und dies alles, obwohl Bus und Fahrrad im Nahverkehr gut zueinander passen.

 

Es müsste also mehr für eine vernetzte Infrastruktur getan werden. Doch in den Rathäusern kleinerer Gemeinden sind die personellen und finanziellen Möglichkeiten begrenzt. Deshalb wird auch im Radverkehrsplan vorgeschlagen, die Kreise ins Boot zu holen, sie mit Mitteln auszustatten und ihnen mehr Kompetenz bei der Planung eines regionalen Radwegenetzes zu übertragen. Im Plan liest sich das so: „Die Kreise übernehmen für kleinere Gemeinden Serviceaufgaben in der Netzplanung. Sie stellen die Radverbindungen zwischen den größeren Gemeinden sicher. ‚Kompetenzstellen Radverkehr‘ auf Landesebene beraten die ländlichen Kommunen.“

 

Bund und Länder müssten dafür ihre Förderprogramme aber erst einmal stärker am Bedarf und den Möglichkeiten kleinerer Gemeinden ausrichten. Städte sind hier zurzeit klar im Vorteil und richten Fahrradstraßen ein oder experimentieren mit gelb markierten Pop-up-Radwegen. Auf dem Land hängt vieles vom Engagement des Rates und der Verwaltung ab. Und wenn Radfahrer vor Ort nicht drängeln, passiert nur wenig.

 

Vorbildliche Situation in Wettringen

 

Vorbildlich ist die Situation im nordrhein-westfälischen Wettringen. Die kleine Gemeinde im Kreis Steinfurt wurde beim Fahrradklima-Test 2022 mit dem Sonderpreis „Radfahren im ländlichen Raum“ geehrt. Wettringen erhielt die Top-Note 2,0. Den radelnden Wettringern gefällt vor allem, dass sie das Ortszentrum zügig und gut mit dem Rad erreichen können. Jung und alt sind gleichermaßen mit der Infrastruktur zufrieden. Die Gemeinde profitiert zudem davon, dass sie an mehreren regionalen Fahrradrouten liegt.

 

Die Rote Laterne trägt übrigens Lüdenscheid mit einer Note von 5,15 – sprich: mangelhaft. Verwundern darf dies nicht. Seit der Vollsperrung der Rahmedetalbrücke der A 45 erstickt die Stadt im Durchgangsverkehr. Radfahren ist dort dank einer schlechten überörtlichen Infrastrukturplanung und mangelnder Wartung auf lange Sicht purer Stress.

 


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