Der Krisenwinter und die Waldweihnacht

Großstadtmenschen im Advent: Glühwein, Festbeleuchtung und die Sorge um Energie und Klima
Opulente Weihnachtsbeleuchtung in einer Fußgängerzone. (Symbolbild: Q K)
Opulente Weihnachtsbeleuchtung in einer Fußgängerzone. (Symbolbild: Q K)

 

Von Michael Lehner

 

Mitunter hilft nur noch Ironie. Zum Beispiel beim Versuch, den Großstädtern das Energiesparen näher zu bringen. Ohne opulente Weihnachtsbeleuchtung und Glühwein geht’s wohl nicht. Logisch mit Strom und Gas, subventioniert mit Steuergeldern. Zugleich trickst die Ampelkoalition nach Kräften, wenn es um die Entlastung der Menschen geht, die – überwiegend auf dem flachen Land – mit Öl und Holz heizen (müssen). Obwohl Feinstaub in den Dörfern kein Problem ist. Und obwohl die Landbevölkerung Geschenke ans urbane Publikum mitfinanzieren muss, ohne davon zu profitieren. Zum Beispiel beim 9-Euro-Ticket.

 

Es mag ja sinnvoll sein, den Menschen mehr Rücksicht aufs Klima beizubringen. In der Realität enden die einschlägigen Versuche jedoch häufig an den Stadtgrenzen der Metropolen. Und an der Befindlichkeit eines Wähler(innen)-Publikums, das sich daran gewöhnt hat, dass die Nacht zum Tag geworden ist. Nicht nur auf Kö und Kudamm, sondern auch in Wohngebieten. Wenn´s sein muss, sogar unter Zwang der Obrigkeit. Wie es Tübingens (noch) grüner Oberbürgermeister Boris Palmer aktuell erlebt, weil er die Straßenbeleuchtung zu nachtschlafender Zeit ausschalten möchte und vom Regierungspräsidium daran gehindert wird. Weil Menschen in Gefahr geraten könnten, wenn am Zebrastreifen das Licht ausgeht.

 

Palmer rechnet vor, dass man jede Nacht ohne Laternenlicht so viel Strom sparen könnte, wie eine Familie übers Jahr verbraucht. Aber bisher bleibt der Zwischenruf aus der Provinz unerhört in Berlin. Dort tröstet sich die SPD-Rathauschefin laut „Spiegel“ damit, dass die Leute daheim keinen Strom verbrauchen, wenn sie im Lichterglanz der Weihnachtsmärkte Glühwein trinken. Dazu passt das stille Leiden der Ski-Touristen, die in diesem Winter auf beheizte Sitze im Sessellift verzichten müssen. Was dem Wohlbefinden wohl ebenso abträglich ist wie die Empfehlung von Wolfgang Schäuble, auch in der guten Stube Pullover zu tragen.

 

Holzhacken wärmt auch

 

Holzhacken für den Ofen wärmt übrigens auch. Und könnte in einem Krisenwinter durchaus Massen-Wintersport mit Einkehr-Schwung ersetzen. Zumal auf der Skihütten-Veranda heuer Heizstrahler als gemeinwohlschädlich gelten und auch im Großstadt-Milieu gern über den Öko-Fußabdruck der Freizeit-Mobilität geredet wird. Wie es kurz vor Weihnachten aussieht, könnte uns in diesem Winter wenigstens die Debatte um Sinn und Unsinn von Schneekanonen erspart bleiben. Vielleicht wird sogar das Eis auf Seen und Tümpeln so tragfähig, dass sich das Gejammer über geschlossene Kunsteisbahnen erübrigt. Und auch Landkinder mal wieder Gelegenheit zum Schlittschuhlaufen haben.

 

Ganz ohne Ironie empfiehlt sich jenseits der Luxusprobleme ein Blick in die Kriegsgebiete. Dort, wo russische Bomben und Raketen den Menschen das Überleben schwer machen, sammeln die Leute Brennholz, um nicht zu erfrieren. Und nicht fürs gemütliche Kaminfeuer. Sie haben andere Sorgen als die Erderwärmung, die im Kriegswinter anscheinend eine Pause eingelegt hat. Mit Eisblumen an den Fenstern und guten Chancen auf eine weiße Weihnacht. Vielleicht sogar mit einem Fackel-Spaziergang zur Christmette. Wie früher, als es noch keine Straßenbeleuchtung gab und in vielen Häusern das Brennholz gerade mal für die Stube reichte.

 

Eine Empfehlung zur Einordnung der Befindlichkeiten

 

Womöglich aus der Zeit gefallen, aber trotzdem eine Empfehlung zur besseren Einordnung der grassierenden Befindlichkeiten: Peter Roseggers „Waldweihnacht“. Gerne in gedruckter Form, aber auch digital verfügbar für ein bisschen Strom:

https://www.youtube.com/watch?v=ge0xRFmHRRQ

 


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