Ist Bio das neue Normal?

Die Preise von konventionellen und Bio-Lebensmitteln gleichen sich – wenn auch auf hohem Niveau – immer mehr an 

Korb voller Gemüse und Salat. (Symbolbild: Sven Hilker)
Korb voller Gemüse und Salat. (Symbolbild: Sven Hilker)

 

Von Wolfgang Molitor

 

Bio ist in den Köpfen angekommen. Behauptet Bioland-Präsident Jan Plagge. Er liegt damit im Trend. Alle Prognosen zeigen: Der Bioabsatz dürfte in den kommenden Jahren stark steigen. Immer mehr Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Pflegeheime und Firmen entscheiden sich für Bio-Produkte. Der linksökologische Freiburger Gemeinderat hat jetzt sogar beschlossen, in seinen Schulmensen und Kindertagesstätten Wurst, Fisch und Fleisch komplett zu verbieten.

 

Dass der Freiburger Beschluss überzogen, anmaßend und öko-autoritär ist, darüber kann man wohl nicht seriös streiten. Nicht nur das CDU-geführte baden-württembergische Agrarministerium weist zurecht darauf hin, dass Kinder in ihrer Entwicklung die Möglichkeit haben sollten, einen eigenen Geschmack zu entwickeln und sich auszuprobieren. Weniger Fleisch ist da in Ordnung, aber Fleisch-Verbote sind es - auch in Betriebskantinen oder Fußballstadien – nicht. Das Resultat: Viele Eltern sind höchst unzufrieden, wenn ihre Kinder trotz hoher Monatsbeiträge hungrig aus der Schule kommen, weil ihnen ausschließlich vegetarisch nicht schmeckt. Die Beschwerden nehmen zu. Vor allem Wintergemüse sei unbeliebt, sagt der Leiter der Abteilung Bildung und Sport im Ulmer Rathaus, Gerhard Semler.

 

Mutmacher Energiekrise

 

Die Energiekrise aber macht vielen Biobauern Mut. Denn die konventionelle Landwirtschaft verwendet viel synthetischen Stickstoffdünger, und hier sind die Preise stark gestiegen. Die Ammoniaksynthese, bei der 80 Prozent in die Herstellung von Düngemitteln geht, verbraucht bis zu drei Prozent des weltweiten Energiebedarfs, eine riesige Menge. Auch die Importe von Futtermitteln haben sich spürbar verteuert. Da Biobauern aber einen Großteil des Futters sowie des Düngers von den eigenen Flächen und Tieren im Kreislauf produzieren, werden sie von der Preisexplosion nicht so stark getroffen, auch weil zumindest hier weite Transportwege und -kosten entfallen. Bei Milch, Butter und Nudeln sind regionale Bioprodukte deshalb bereits günstiger als konventionelle Markenprodukte, auch wenn sie teurer bleiben als die Handelsmarken.

 

Bio ist in, und die Öko-Bauern, lange belächelt, scheinen mit ihrer umwelt- und ernährungspolitischen Strategie Recht zu behalten. „Wir stehen auch beim Konsum an einer Zeitenwende“, meint Plagge. In der Tat: Man kann den Umbau in der Landwirtschaft hin zur ökologischen Landwirtschaft durchaus mit dem Ausstieg aus Kohle, Erdöl und Erdgas gleichsetzen.

 

Kunden kaufen günstiger ein

 

Trotzdem: Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens GfK verloren von Januar bis August dieses Jahres Naturkostläden und Reformhäuser im Vorjahresvergleich 40,2 Prozent Umsatz. Aber im Vergleich zum Jahr 2019 sind die Erträge stabil geblieben. Auch günstigere Bioketten wie Alnatura oder Naturgut verloren binnen Jahresfrist rund zehn Prozent. Alles in allem aber schrumpfte der Umsatz aller verkaufter Bioprodukte gegenüber dem Rekordjahr 2021 nur minimal. Das GfK-Fazit: Kunden setzen weiter auf Bio, kaufen aber günstiger ein.

 

Das gilt zwar wegen der gestiegenen Lebensmittelpreise (im September lagen sie laut Statistischem Bundesamt fast 19 Prozent über dem Vorjahr) für den gesamten Lebensmitteleinzelhandel. Bei den Bioprodukten aber fiel die Preissteigerung wesentlich geringer aus, wie der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) beobachtet. Das heißt: Die Preise von konventionellen und Bio-Lebensmitteln gleichen sich – wenn auch auf hohem Niveau – immer mehr an. Schon jetzt sind konventionelle Marken-Milchprodukte schon teils teurer als vergleichbare Bioprodukte.

 

Vor allem dann, wenn sie nicht nur den Fachhandel, sondern auch Supermärkte beliefern, sind Biobauern relativ krisenfest. Und so sieht sich Plagge mit seinem größten Anbauverband Bioland auf gutem Kurs. Hinzu kommt einen starke Kundenbindung, auf die die Erzeugergemeinschaft Demeter hinweist und damit einen relativ geringen Umsatzrückgang von drei bis fünf Prozent bei ihren Mitgliedern erklärt.

 

Der Biomarkt erlebt eine der größten Veränderungen in seiner Geschichte mit Zuversicht. Oder wie es ein Stuttgarter Bioladen-Besitzer formuliert: „Alte Stammkunden, die einst wegen der Preise abgewandert sind, kommen wieder zurück.“

 


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