Niedersachsen: 23-mal „Ländlicher Raum“ im Koalitionsvertrag

Das niedersächsische Landvolk zeigt sich vorsichtig optimistisch

Der alte und sehr wahrscheinlich auch zukünftige Ministerpräsident Niedersachsens Stephan Weil. (Foto: Anne Hufnagl)
Der alte und sehr wahrscheinlich auch zukünftige Ministerpräsident Niedersachsens Stephan Weil. (Foto: Anne Hufnagl)

 

Von Christian Urlage

 

Rot-Grün in Niedersachsen startet harmonisch in eine neue Wahlperiode, und die Zustimmung zum Koalitionsvertrag für Niedersachsen war eine reine Formsache: Fast einstimmig billigten die Delegierten des SPD-Landesparteitags am Samstag die Vereinbarung, am Sonntag folgten die Grünen. Daher gilt als sicher, dass Stephan Weil am Dienstag in Hannover zum dritten Mal zum Ministerpräsidenten gewählt werden wird.

 

Für Stirnrunzeln sorgt indes die Tatsache, dass ausgerechnet die designierte Kultusministerin Julia Willie Hamburg trotz eines Studiums keinen Abschluss vorweisen kann. Und dass die Spitzenkandidatin der Grünen im Wahlkampf bald als fachfremde Ressortchefin einen der zwei Plätze der Landesregierung im VW-Aufsichtsrat übernimmt. Inhaltlich ist das nicht zu begründen. Der einzige Grund für diese Entscheidung dürfte sein, dass die Grünen, denen das ersehnte Wirtschaftsressort verwehrt blieb, beim Auto-Konzern mitreden können.

 

Der 139-seitige Koalitionsvertrag führte bisher nur zu leiser Kritik. Ein wenig mäkelte zwar der neue CDU-Fraktionschef Christian Lechner im NDR, Fragen der Wirtschaft seien zu wenig berücksichtigt worden – generell aber beschäftigen sich die niedersächsischen Christdemokraten zunächst einmal mit sich selbst. Nach ihrer krachenden Niederlage müssen sie sich erst wieder an die Oppositionsrolle gewöhnen.

 

Doch auch wenn kaum Proteste zu vernehmen sind: Es wäre übertrieben, von einem gestalterischen Aufbruch im rot-grünen Koalitionsvertrag zu sprechen. Vieles bleibt vage, kritische Punkte haben die beiden Koalitionspartner geschickt ausgeklammert. So verweisen sie etwa beim strittigen Autobahnbau auf den Bund.

 

Was der Wechsel von Rot-Schwarz zu Rot-Grün für die dünner besiedelten Gebiete im Flächen- und Agrarland Niedersachsen bedeutet, muss sich erst zeigen. Immerhin: Der Begriff „Ländlicher Raum“ kommt 23-mal im Koalitionsvertrag vor. So manches Problem wird angesprochen, zum Beispiel die Frage wohnortnaher Schulen, die Gestaltung der Ortszentren von Dörfern, die Schließung von Einzelhandelsbetrieben, die Erreichbarkeit von Versorgungseinrichtungen oder der Ausbau des Netzes von Wirtschaftswegen.

 

Antworten klingen allgemein und wolkig

 

Doch etliche Antworten auf die zahlreichen Herausforderungen klingen allgemein und wolkig, so wie der Satz: „Die ländlichen Räume zu stärken und für gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land zu sorgen, sehen wir als unsere gemeinsame Aufgabe.“ Nur wenn solche Aussagen mit Leben gefüllt werden, haben sie einen Wert. Das gilt auch für das Ziel, die Kulturarbeit vor Ort zu stärken und weiterzuentwickeln.

 

Wenig überraschend ist, dass SPD und Grüne die erneuerbaren Energien auf dem Land ausbauen wollen und vorhaben, in der Verkehrspolitik Rufbusse, Bürgerbusse und On-Demand-Angebote zu fördern. Ob das den Pendlern hilft? Und lässt sich durch ärztliche kommunale Genossenschaften der Mangel an Medizinern auf dem Land beheben? Zweifel sind angebracht, auch wenn diese Überlegungen einen Versuch wert sind.

 

Landvolk reagiert vorsichtig optimistisch

 

Konkreter klingt da schon die Ankündigung eines Gesetzes, damit Landwirte nicht beim Aufkauf von Grundstücken das Nachsehen gegenüber Investorinnen und Investoren im ländlichen Raum haben. Und insgesamt reagiert das niedersächsische Landvolk vorsichtig optimistisch: Der Koalitionsvertrag enthalte viel Positives, aber auch Überraschungen, heißt es.

 

Froh sind die Landwirte darüber, dass nicht der beratungsresistente Grünen-Politiker Christian Meyer das Agrarressort übernehmen wird, sondern seine fachkundige Parteifreundin Miriam Staudte. Doch zugleich sorgen sie sich, dass der künftige Umwelt- und ehemalige Landwirtschaftsminister Meyer zu viel Einfluss auf seine Kollegin ausüben könnte.

 


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