Zu hoher Preis für ein bisschen sauberere Luft

Bevor Steffi Lemke (Grüne) ein weiteres Mal ein Gesetz durchwinkt, was dem Land auf die Füße fallen wird, gilt es, noch einmal nachzudenken

Fahrverbote im großen Stil treffen vor allem Pendler (Symbolbild: blende12)
Fahrverbote im großen Stil treffen vor allem Pendler (Symbolbild: blende12)

 

Von Ludwig Hintjens

 

Die EU-Kommission will für (noch) sauberere Luft in den Innenstädten sorgen. Deswegen sollen die Grenzwerte für wichtige Luftschadstoffe teils mehr als halbiert werden. Wenn es so kommt, werden in wenigen Jahren erneut innerstädtische Straßenzüge wie das Stuttgarter Neckartor, die Landshuter Allee in München oder die Silbersteinstraße in Berlin-Neukölln bundesweit Bekanntheit erlangen.

 

Die Kommission legt es mit ihrem Vorschlag nämlich darauf an, dass es wieder zu Fahrverboten kommt. Insbesondere die Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub, die sie ab dem Jahr 2030 EU-weit verbindlich machen will, werden nach Einschätzung von Experten, die seit Jahren einen sehr genauen Blick auf die Werte haben, bis dahin nicht einzuhalten sein.

 

Zur Erinnerung: 2008 wurden in Brüssel schon einmal Grenzwerte für Luftschadstoffe beschlossen, die später für viel Ärger gesorgt haben. Über Jahre wurden die Grenzwerte in vielen größeren Städten des Landes gerissen. Die Kommission leitete ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Da die Politik nicht reagierte, wurde die Umwelthilfe aktiv und erstritt auf dem Rechtswege reihenweise streckenbezogene Fahrverbote sowie ein flächendeckendes Fahrverbot in Stuttgart. Daher die Bekanntheit für das Stuttgarter Neckartor und Co. Viele Pendler, die vom Land zur Arbeit in die Städte fuhren, sahen sich gezwungen, vor der Zeit ihren Diesel-Pkw abzustoßen und gegen ein neueres Modell einzutauschen.

 

Von deutscher Seite hatte seinerzeit ein Umweltminister namens Sigmar Gabriel (SPD) in Brüssel bei der entscheidenden Abstimmung im Ministerrat die Hand gehoben. Bevor womöglich nächstes Jahr schon seine Nachfolgerin Steffi Lemke (Grüne) ein weiteres Mal ein Gesetz durchwinkt, was dem Land auf die Füße fallen wird, gilt es, noch einmal nachzudenken.

 

Schadstoff-Belastung schon drastisch gesunken

 

Tatsache ist, dass die Schadstoff-Belastung in den Städten, die auf die Kappe von Pkw, Lkw und Bussen geht, drastisch gesunken ist. Professor Thomas Koch, Chef des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), sagt: Vor knapp 20 Jahren habe die Belastung mit Stickoxiden (Nox) am Stuttgarter Neckartor im Jahresschnitt bei einem Wert von 122 Mikrogramm je Kubikmeter Luft gelegen. Ein Großteil der Belastung stammte seinerzeit von Dieselmotoren. Vor allem der technische Fortschritt bei Dieselmotoren habe dazu geführt, dass der Wert am Stuttgarter Neckartor im letzten Jahr auf den Wert 37 gedrückt wurde. Damit ist der aktuelle Grenzwert von 40 einzuhalten. Koch sagt: „Nur noch zehn bis zwölf Mikrogramm steuert der Straßenverkehr zu der Schadstoffbelastung am Neckartor bei.“ Der Rest komme aus anderen Quellen: Heizungen, Imbissbuden, rauchende Menschen, Klimaphänomene.

 

Fahrverbote im großen Stil treffen vor allem Pendler

 

Die Kommission will den Grenzwert von 40 bis zum Jahr 2030 halbieren. Ein Grenzwert von 20 werde, so Koch, an mehr als einem Drittel der deutschen Messstellen auch noch im Jahr 2030 gerissen. Fahrverbote im großen Stil wären zwangsläufig. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen kann man sich ausmalen. Besonders schwer getroffen würde die Bevölkerung auf dem Land, die überproportional häufig darauf angewiesen ist, mit dem privaten Pkw zu ihren Industriearbeitsplätzen zu fahren.

 

Der Beitrag von Verbrennern zur Luftverschmutzung ist gering geworden. Aus dem Auspuffrohr von fabrikneuen Fahrzeugen kommt beinahe frische Luft. Keine Frage: Durch die Grenzwerte, die die Kommission plant, würde die Luft noch ein bisschen sauberer. Doch der Preis, der dafür zu zahlen wäre, wäre zu hoch:  In vielen Städten müsste der Verkehr und damit das soziale Leben weitgehend stillgelegt werden.

 

Die Geschichte mit den Fahrverboten darf sich nicht wiederholen: Der Umweltlobbyist Jürgen Resch sollte nicht noch einmal die Chance bekommen, ganz groß herauszukommen. Es gilt jetzt, die Verhältnismäßigkeit zu prüfen und dann zu machbaren Werten zu kommen.

 


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