Ein Weckruf gegen die Wald-Ideologen

Ein Teil der Öko-Szene will das rare Gut Holz im Wald einfach verrotten lassen – auf Kosten der Steuerzahler und zum Schaden für das Klima

Im Vergleich zu Wirtschaftswäldern fällt die Kohlendioxid-Bilanz von Wäldern, die der Natur überlassen werden, schlechter aus. (Symbolbild: woong hoe)
Im Vergleich zu Wirtschaftswäldern fällt die Kohlendioxid-Bilanz von Wäldern, die der Natur überlassen werden, schlechter aus. (Symbolbild: woong hoe)

 

Von Michael Lehner

 

Die Ernüchterung für Öko-Waldexperten wie den Fernseh-Förster Peter Wohlleben kommt aus Estland: Wissenschaftler der „Universität der Umweltwissenschaften“ in Tartu haben den ökologischen Nutzen von Wirtschaftswäldern mit der Kohlendioxid-Bilanz von Wäldern verglichen, die der Natur überlassen werden. Mit dem Ergebnis, dass solche Bannwälder im schlimmsten Fall sogar dem Klima schaden.

 

Die renommierte Hochschule (gegründet 1632) ist die Öko-Instanz im waldreichen Baltikum. Und unverdächtig, einseitig ökonomische Interessen zu vertreten. Aber so entschieden, wie die Wissenschaftler dort dem Raubbau entgegentreten, so klar ist auch ihre Warnung vor dem Irrglauben, dass der Verzicht auf forstliche Nutzung der Umwelt nützt.

 

Mit zunehmendem Alter erreichen naturbelassene Wälder nach Überzeugung der estnischen Forst-Ökologen vielmehr eine Schwelle, an der sie mehr Kohlendioxid freisetzen als sie durch Fotosynthese binden. Zudem seien sehr alte Wälder anfälliger für Kalamitäten wie Windbruch oder Käferbefall. Hier die vollständige Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse: https://news.err.ee/1608741910/researchers-unmanaged-forests-now-emit-more-co2-than-they-absorb

 

Waldnutzung als Glaubensfrage

 

Solcher Einspruch erreicht einen Alltag, in dem die Waldnutzung zur Glaubensfrage wird: Brennholz wird in der Großstadt zum teuren Luxusartikel und zunehmend zum Diebesgut. Sogar in Schweden waren Holzpellets bereits im Sommer über Wochen ausverkauft. Die Terminmärkte haben Holz als Spekulationsobjekt entdeckt. Aber ein Teil der Öko-Szene will das rare Gut im Wald verrotten lassen. Am liebsten auf Kosten der Steuerzahler – und zum Schaden für das Klima.

 

Generationen von Forstleuten waren stolz auf die lange Tradition der Nachhaltigkeit. Schon im Jahr 1713 festgeschrieben vom sächsischen Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz. Seine „Sylvicultura oeconomica“ schreibt vor, nicht mehr Holz zu ernten als im Wald nachwächst. Was bald nicht nur in Deutschland, sondern auch in halb Europa verpflichtend wurde. So offensichtlich waren die Folgen hemmungslosen Raubbaus schon auf der Schwelle ins Industrie-Zeitalter.

 

Das Machtwort des Sachsen Carlowitz wirkt bis heute: In den Jahren zwischen 2012 und 2017 sind in der Europäischen Union gerade einmal 75 Prozent des jährlich nachwachsenden Holzes geerntet worden, schreibt der Tübinger Forst-Professor Roland Irslinger in einer Replik gegen die Öko-Fantasien, für die Deutschlands Fernseh-Förster Peter Wohlleben auf (fast) allen Kanälen Stimmung macht. Und bei diesen 75 Prozent, ergänzt Irslinger, seien die natürlich absterbenden Bäume sogar schon mitgezählt.

 

Einfach in Ruhe lassen?

 

Eingeläutet hatte die jüngste Runde des Kulturkampfs das ARD-Magazin Plusminus. Am 24. August 2022 kamen dort hauptsächlich Wohlleben und weitere Verfechter der These zu Wort, dass dem Wald und dem Klima am besten gedient wäre, wenn die Menschheit auf Nutzung verzichtet und den Wald einfach in Ruhe lässt.

 

So wollte das nicht einmal die dem „grün“ regierten Bundeslandwirtschaftsministerium zugeordnete „Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe“ durchgehen lassen: „Es ist befremdlich, die Kohle-, Öl- oder Gasheizung als klimafreundlichere Alternative zur Holzheizung oder Holz-Kraft-Wärme-Kopplung zu bezeichnen.“

 

Der „Deutsche Energieholz- und Pelletverband“ spricht von „Ökopopulisten wie Wohlleben“ und verweist darauf, dass 90 Prozent der dort hergestellten Brennstoffe aus Abfällen der Sägeindustrie und 10 Prozent aus nicht sägefähigem Waldholz gewonnen werden. Was direkt zur nächsten Streitfrage führt, ob ein „aufgeräumter“ Wald überhaupt erwünscht sein kann.

 

Dazu gab´s im vergangenen Dürre-Sommer immerhin den Verdacht, dass dicke Lagen von moderndem Totholz die Ausbreitung von Waldbränden fördern. Und die Gewissheit, dass auch hoch gelobte Mischwaldbestände mit extrem trockenen Sommerperioden große Probleme haben. In Zeiten des Klimawandels bleibt der zukunftssichere Waldbau wohl noch auf längere Sicht ein Experimentierfeld, auf dem sich klassische Forstwirtschaft und Öko-Theorien recht unversöhnlich begegnen.

 

Wald muss sich auch rechnen

 

Auf jeden Fall ein Grundsatzstreit, der in Zeiten absehbar knapper werdender Finanzen auf den Boden der Tatsachen zurückkehren dürfte. Auch im Sinne der Staatskassen, deren Verwalter den Forst seit Jahrzehnten bevorzugt als Einnahmequelle nützen. Und mit der Einsicht, dass sich der Wald auch im Privateigentum rechnen muss, um intakt zu bleiben. Nach Jahren, in denen der Stammholzpreis kaum die (Wald)arbeitskosten deckte, kann Realitätssinn nicht schaden: Für reine Luft und besseres Klima sorgen schließlich auch die gern gescholtenen Wirtschaftswälder.

 

Neuerdings kommt noch hinzu, dass heimisches Holz nicht nur zu den nachwachsenden Energieträgern zählt. Sondern auch als Baustoff der Wahl zu gelten hat, wenn der „ökologische Fußabdruck“ zählt: Bauholz bindet Kohlendioxid über Generationen. Es wächst vor der Haustüre nach. Und es lässt sich am Ende der Nutzungszeit noch verbrennen. Wobei kaum mehr Schadstoffe frei werden als beim Fäulnisprozess im Bannwald.

 

Während einige Öko-Verbände – voran die Deutsche Umwelthilfe und der NABU – die Holzheizung zur Umweltsünde erklären, kaufen die Deutschen die Holzofen-Vorräte des Handels leer. Bundesumweltministerin Steffi Lemke bekennt sich zum Baustoff Holz als natürlichem Ersatz der Beton-Burgen, die mit ihrer Energie- und Kohlendioxid-Bilanz wie aus der Zeit gefallen wirken.

 

Peter Wohlleben will „den Schwarzwald in Ruhe lassen“

 

Sogar die Einsicht, dass sich der Wald rechnen muss, um in der Finanzkrise zu gedeihen, lässt die Ministerin von den Grünen gelten: „Die Holzwirtschaft ist wichtig, dass will ich gar nicht abstreiten,“ sagt sie auf einem „Waldgipfel“ mit Peter Wohlleben. Aber der Förster, der den Bäumen zuhört, bleibt da eher unbeeindruckt. Eben forderte er im Gespräch mit der Badischen Zeitung, man möge „den Schwarzwald in Ruhe lassen“.

 

Im Schwarzwald galt noch im vorletzten Jahrhundert die Faustregel, dass ein Bauer eine einzige Tanne fällen muss, um einer Tochter die Hochzeit nebst Aussteuer zu bezahlen. Viele Holzhäuser aus dieser Zeit sind noch bewohnt und binden heute noch das Kohlendioxid von damals. Ginge es nach der neuen Öko-Lehre wären das Holz längst verrottet. Und die Bauernhochzeit höchst bescheiden ausgefallen.

 


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