Ist Höxter dem Minister doch zu ländlich?

Das „Fachinstitut für Innovation und Wertschöpfung in ländlichen Räumen“ wird am Hauptsitz des Thünen-Instituts in Braunschweig arbeiten

Blick auf die Altstadt von Höxter. (Symbolbild: Dieter_G)
Blick auf die Altstadt von Höxter. (Symbolbild: Dieter_G)

 

Von Wolfgang Kleideiter

 

Ohne das Thünen-Institut und seine bundesweit 15 Fachinstitute geht bei den Themen Ernährung, Landwirtschaft und ländlicher Raum in der Politik kaum etwas. Über 800 Stellungnahmen liefert die zentrale Forschungseinrichtung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) nach eigenen Angaben im Jahr an Bund, Länder und EU. Tag für Tag sind die über 600 Beschäftigten damit befasst, wissenschaftliche Grundlagen für politische Entscheidungen und Gesetze zu erarbeiten.

 

Als im Herbst 2021 bekannt wurde, dass ein neues „Fachinstitut für Innovation und Wertschöpfung in ländlichen Räumen“ in Höxter angesiedelt und ein weiteres bestehendes „Fachinstitut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen“ dorthin verlegt wird, war die Freude in Ostwestfalen groß. Stadt und Kreis rollten den roten Teppich aus. In Höxter ansässige Forschungseinrichtungen der Technischen Hochschule OWL, die sich mit Umweltplanung oder Freiraummanagement befassen, freuten sich auf die künftige Zusammenarbeit. Im Juni wurden die notwendigen Institutsräume am Markt fertiggestellt.

 

Dass jetzt Cem Özdemir als zuständiger Minister die Pläne seiner Amtsvorgängerin Julia Klöckner durchkreuzt, stößt nicht nur im Kreis Höxter bitter auf. Für Landrat Michael Stickeln ist die Entscheidung des grünen Ressortchefs nicht nachvollziehbar. Auf ihn wirken die Gründe für das Aus – angeblich die Bündelung von Forschungsressourcen – wie Scheinargumente. Für Höxters Bürgermeister Daniel Hartmann ist der Berliner Beschluss ein Schlag ins Gesicht. Die 30.000-Einwohner-Stadt hatte sich von der Institutsansiedlung eine Stärkung versprochen. Nun sind die neuen Räume im Marktquartier zwar langfristig vermietet, aber sie werden absehbar nicht mehr genutzt.

 

Großstadt statt Kreisstadt

 

Es ist ein großes Ärgernis, dass ausgerechnet Forschungen zum ländlichen Raum auf dem Land nicht möglich sein sollen. Als gäbe es keine digitale Vernetzung, die Wissenschaftler ortsunabhängig macht. Laut Ministerium sollen die beiden genannten Institute nicht in Höxter, sondern am zwei Fahrstunden entfernten Hauptsitz des Thünen-Instituts im niedersächsischen Braunschweig arbeiten. Großstadt statt Kreisstadt, Institutscampus statt Marktplatz.

 

Peinlich für Prof. Dr. Christian Hundt, der zum 1. Dezember 2021 als Leiter des neuen Thünen-Instituts für Innovation und Wertschöpfung in ländlichen Räumen vorgestellt wurde. Hundt, der gleichzeitig als Professor für „Wirtschaft in ländlichen Räumen“ an der Leibniz-Universität Hannover lehrt, hatte noch im August vor 350 Gästen beim Wirtschaftstag in einer Nachbarstadt von Höxter die wirtschaftlichen Stärken ländlicher Räume skizziert und durfte sich sogar ins Goldene Buch der Stadt Brakel eintragen.

Nun kann die vom Minister gekippte Ansiedlung der Forschungseinrichtungen in den Reden als Negativbeispiel dienen. Bittere Ironie: Das Institut befasst sich auch mit der Frage, welche Rolle Unternehmen der öffentlichen Hand und Non-Profit-Organisationen bei der Stärkung ländlicher Räume zukommt. Diese brauchen natürlich solche Ansiedlungen, um Angebote im Bereich der Daseinsvorsorge bereitstellen und finanziell abzusichern.

 

Höxter steht mit leeren Räumen da, getäuscht und enttäuscht

 

Die politisch gewollte Institutsansiedlung in Höxter hätte gezeigt, dass man es im Bundesministerium mit der Stärkung ländlicher Räume ernst meint und sich Herausforderungen wie der Verlegung eines Forschungsbereichs in der Praxis stellt. Nun steht Höxter mit leeren Räumen da, getäuscht und enttäuscht.

 

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian Haase, ein starker Verfechter der Thünen-Ansiedlung in Höxter, ist sauer darüber, dass das Ministerium sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, die Kooperationspartner direkt zu informieren. Sie erfuhren vom Ministerentscheid aus der Zeitung. Ein schlechter Stil.

 


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