Realitätsverweigerung in der Krise

Die bürgerliche Mitte und der ländliche Raum stehen im Abseits der politischen Debatte
Ländlicher Raum in Bayern. (Symbolbild: Ulrike Leone)
Ländlicher Raum in Bayern. (Symbolbild: Ulrike Leone)

 

Von Michael Lehner

 

Die Linke plant fragwürdige Montagsdemonstrationen. Die bürgerlichen Parteien liefern sich Scheingefechte um eine Renaissance der Kernkraft. Die SPD-Chefin will säumige Mieter noch besser schützen. Ein Teil der großen Energiekonzerne wälzt Spekulationsverluste auf die Bürger ab. Und Kriegsherr Putin darf sich die Hände reiben, weil die Wohlstandsgesellschaft entschiedene Antworten auf die drohende Krise verweigert.

 

Während die Menschen auf dem flachen Land Brennholz-Berge bunkern, plagt linke Politiker – auch in der Regierungspartei SPD – die Sorge, wie die Ärmsten durch den Winter kommen sollen. Wobei Hartz IV-Empfänger bzw. künftige „Bürgergeld“-Bezieher doch eher gelassen bleiben können. Ihre Heizkosten bezahlt schließlich das Sozialamt.

 

Aber sparen müssen ja auch die Normalverdiener. Zum Beispiel Menschen, die sich fürs Alter eine Immobilie zum Vermieten zugelegt haben. Ihre Angst, dass der Kündigungsschutz ausgeweitet werden könnte, um säumige Mieter zu schonen, ist durchaus real. Am Ende könnte sich Armut so in Schichten verlagern, die auf die Politik hörten und neben der Rente private Vorsorge betrieben haben.

 

Pendler zahlen die Zeche

 

Zugleich wird an der Krise klotzig Geld verdient. Und die rot-grün-gelbe Regierung schafft es nicht, den Krisen-Profiteuren wirksam ins Gewissen zu reden. Zum Beispiel wenn die Spritpreise steigen, obwohl der Rohölpreis seit dem Frühsommer um ein Viertel nachgegeben hat. Die Zeche zahlen vor allem Pendler im ländlichen Raum.

 

Dort in der Provinz müssen die Leute obendrein um ihre Arbeitsplätze bei meist mittelständischen Unternehmen fürchten. Denen droht nicht nur Gasrationierung, sondern auch der Hinweis, dass der Staat bei zunehmend leeren Kassen nicht alle Firmen retten kann. Während dem über seinen Mutterkonzern Fortum eng mit russischen Konsortien verwobenen Gasversorger Uniper mit einer Gasumlage geholfen wird.

 

Fortum baut, ganz nebenbei bemerkt, weiter an neuen Atomkraftwerken. Was von der EU als „grüne“ Energie auch noch finanziell gefördert wird. Obwohl Atomstrom gerade in diesem Hitzesommer seine Tücken zeigt und bei den Produktionskosten Wind- und Sonnenenergie um ein Vielfaches übersteigt.

 

Derweil warten ländliche Energiegenossenschaften weiter quälend lang auf Baugenehmigungen. Auch wegen der Realitätsverweigerung nicht selten gut bezahlter Öko-Funktionäre. Leute, die wohl nie ihre Teilschuld daran eingestehen werden, dass jetzt wieder vermehrt Kohle- und Gas-Strom durch die Netze fließt.

 

Putins unfreiwillige Helfer

 

Womöglich nur am Rande interessant: Jene Obrigkeit, die nicht nur bei der Kohle (sinnvolle) Kompromisse eingeht, zwingt die Schornsteinfeger im Land weiter dazu, den ohnehin gebeutelten Bürgern ihre gar nicht so alten Heizungen und Kachelöfen zu verbieten. Mal sehen, ob das im Winter noch zu halten ist. Oder ob Linkspartei, Reichsbürger und AfD bei ihren schamlosen Montagsdemonstrationen Zulauf von braven Bürgern bekommen, die der wachsende Realitätsverlust zu Putins unfreiwilligen Helfern macht.

 

Obwohl es der Kreml-Diktator ist, der verschuldet, dass die Menschen momentan andere Sorgen haben als den maximalen Klimaschutz und teure Mode-Lebensmittel. Auch bei Letzteren wäre übrigens angesichts einbrechender Umsätze Nachdenken über Renditen angesagt. Und darüber, was von den satten Gewinnen beim Erzeuger ankommt.

 


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