Frauen auf dem Land stärken

Eine aktuelle Studie widmet sich einer bisher eher vernachlässigten Gruppe: Frauen in landwirtschaftlichen Betrieben 

Eine Frau mit zwei Milchkannen streichelt eine Kuh in einem Kuhstall. (Symbolbild: iStock/Halfpoint)
Eine Frau mit zwei Milchkannen streichelt eine Kuh in einem Kuhstall. (Symbolbild: iStock/Halfpoint)

 

Von Jürgen Wermser

 

Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist seit Jahren ein großes Thema in Politik und Gesellschaft. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen dabei zumeist große Unternehmen und Parteien, Quotenfragen sowie die unterschiedliche Bezahlung im Arbeitsleben. Eine für den ländlichen Raum sehr wichtige, oftmals prägende Gruppe von Frauen wird in einer solchen Debattenlage allzu leicht vernachlässigt: Frauen in landwirtschaftlichen Betrieben.

 

Über ihre Lebensentwürfe, Wünsche und Sorgen gab es bislang kaum gesicherte Informationen. Forscher des Thünen-Instituts für Betriebswirtschaft und des Lehrstuhls für Soziologie Ländlicher Räume der Georg-August-Universität Göttingen haben sich deshalb des Themas angenommen und von 2019 bis 2022 deutschlandweit qualitative und quantitative Untersuchungen durchgeführt. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und unterstützt vom Deutschen LandFrauenverband e.V. (dlv) als Kooperationspartner.

 

Auch die designierte Vizepräsidentin des Deutschen Bauernverbandes und Vorsitzende des DBV-Fachausschusses „Unternehmerinnen in der Landwirtschaft“, Susanne Schulze Bockeloh, begrüßte die Studie: „Wir brauchen Unternehmerinnen, das merken wir auf allen Ebenen des Bauernverbandes. Wir werden Möglichkeiten schaffen, dass Frauen sich gestärkt fühlen, sich in unseren Gremien zu engagieren. Dieses Thema Empowerment ist ein ganz, ganz Wichtiges. Wir wollen und brauchen ein gemeinsames Netzwerk und Zusammenarbeit.“

 

Ausgangslage durchwachsen

 

Die Ausgangslage ist dabei recht durchwachsen. So werden laut der Studie nur elf Prozent der Betriebe von Frauen geleitet, bei der vorgesehenen Hofnachfolge liegt der Frauenanteil bei rund 18 Prozent, Damit rangiert Deutschland im europäischen Vergleich auf den letzten Plätzen. Die Gründe dafür sind nach Ansicht der Forscher recht vielfältig. So gebe es in der Landwirtschaft erhebliche Zugangsbarrieren für Frauen. Veraltete Geschlechterbilder und traditionelle Vererbungspraxen würden immer noch immer strukturelle Hindernisse für Frauen in der Landwirtschaft darstellen. Existenzgründungen seien nahezu unmöglich. Eine leichte Tendenz zu mehr weiblicher Hofnachfolge und Frauen, die eigenständig landwirtschaftliche Betriebe gründen, gebe allerdings Anlass zu vorsichtiger Hoffnung - so die Wissenschaftler.

 

Die Ergebnisse der Onlinebefragung zeigen, dass Frauen auf den Höfen

vielfältige Aufgaben übernehmen: 83 Prozent der befragten Frauen arbeiten im landwirtschaftlichen Betrieb und 52 Prozent in dazugehörenden Nebenbetrieben (zum Beispiel Direktvermarktung oder Tourismus). Knapp 40 Prozent sind außerbetrieblich erwerbstätig. Fast alle der befragten Frauen (83 Prozent) sind zusätzlich im Haushalt aktiv. Viele Frauen würden sich selbst in der Rolle der „Springerin“ sehen, das heißt. sie sind kurzfristig in den verschiedensten Arbeitsbereichen auf dem Betrieb tätig. Hinzu kommen das Aushelfen oder die Pflege des Geländes – Aufgaben, die für den Gesamterfolg des Betriebes wichtig sind, aber häufig nicht wirklich anerkannt werden.

 

Mehr noch: 72 Prozent gaben an, an strategisch-unternehmerischen Entscheidungen beteiligt zu sein, 62 Prozent sind für Buchhaltung, Finanzen und Büro verantwortlich. Die Frauen verstehen sich laut der Studie als (Mit-)Unternehmerin, aber das bedeutet nicht, dass sie auch rechtlich am Betrieb beteiligt sind. Denn nur elf Prozent der Befragten gehört der gesamte Betrieb, weiteren 24 Prozent ein Teil der Flächen oder Gebäude. Demnach gibt es deutliche Unterschiede zwischen der gefühlten und rechtlichen Position auf dem Betrieb.

 

Zu schlechter öffentlicher Nahverkehr

 

Die meisten der befragten Frauen wohnen gerne im ländlichen Raum. Aber es wird auch deutliche Kritik geübt. So bewerten 57 Prozent ihren Wohnort als „überhaupt nicht“ oder „schlecht“ ans öffentliche Verkehrsnetz angebunden. Damit werden diese Frauen oft, wie selbstverständlich, zur „Taxifahrerin“, da sie Kinder oder Ältere zu Arztterminen, Behördengängen und Freizeitaktivitäten fahren und abholen.

 

Vor diesem Hintergrund ist es umso bemerkenswerter, dass sich trotz aller alltäglichen Herausforderungen 60 Prozent der Befragten Zeit für ein Ehrenamt nehmen. Sie wirken damit - so die Erkenntnis der Forscher - „als wichtige Stützen bei der Gestaltung ländlicher Räume.“

 

Was tun? Patentrezepte kann die Studie natürlich auch nicht bieten, aber durchaus eine Reihe von Hinweisen und Empfehlungen. Dazu gehören etwa niedrigschwellige Förderprogramme und Beratungsangebote für landwirtschaftliche Existenzgründungen, bei allen Beteiligten eine erhöhte Aufmerksamkeit für geschlechtsspezifische Rollenmuster, eine bessere soziale Absicherung fürs Alter und für den Fall einer Scheidung sowie nicht zuletzt eine gute öffentliche Infrastruktur in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Digitalisierung, ÖPNV und Verwaltung.

 

Letzteres ist ein Daueranliegen nicht nur von Frauen, sondern für alle Akteure im ländlichen Raum. Denn je gleichwertiger hier die öffentlichen Strukturen und Bedingungen im Vergleich zu großstädtischen Regionen werden, desto attraktiver können sich generell die dünner besiedelten Gebiete entwickeln. Die Autoren unseres Politblog haben diese für sie zentrale Thematik immer wieder von verschiedensten Seiten beleuchtet. Sie werden darauf weiter ihr Hauptaugenmerk richten.

 


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