Söder, die Grünen und die Macht

Die CSU will im kommenden Jahr Landtagswahlen gewinnen und kommt nur mit Mühe aus dem Umfrage-Tief

CSU-Chef Markus Söder (Foto: Josef A. Preiselbauer)
CSU-Chef Markus Söder (Foto: Josef A. Preiselbauer)

 

Von Michael Lehner

 

Mal angenommen, die Berliner Ampelkoalition bräche bald auseinander. Das ist zwar nicht ganz ausgeschlossen. Aber es brächte die Union unter Zugzwang, auf den sie momentan so gut wie gar nicht vorbereitet ist. Vor allem wegen der Kehrtwende, die CSU-Chef Markus Söder im Umgang mit Grünen und auch Liberalen betreibt.

 

Auf der jüngsten CSU-KIausur im fränkischen Kloster Banz sagt Söder dazu klare Worte: „Schwarz-Grün ist kein bayerisches Modell und keine bayerische Option.“ So lange er sich Chancen aufs Kanzleramt ausrechnete, klang der Bayer anders und umarmte sogar Bäume. Wohl wissend, dass ohne die Grünen kaum eine Chance auf Regierungsmacht im Bund besteht.

 

Ohne die Liberalen ginge es wohl auch nicht. Und so lässt es besonders aufhorchen, dass ausgerechnet aus der CSU Ermunterung kommt, die Schuldenbremse aufzuheben. Wohl wissend, dass es dabei um eine Sollbruchstelle für die FDP geht. Und um ein Credo, dass auch der CSU bisher ziemlich heilig schien. Daran festzuhalten wäre aber für Söder im Moment „Prinzipienreiterei“.

 

Machtkalkül vor Landtagswahlen

 

Hinter solchen Kehrtwenden steckt Machtkalkül. Die CSU will im kommenden Jahr Landtagswahlen gewinnen und kommt nur mit Mühe aus dem Umfrage-Tief. Die Einschätzung, dass die Grünen auch in Bayern der gefährlichste Gegner sind, scheint zutreffend. Und die CSU ist daran nicht ganz unschuldig mit ihrem Kanzler-Aspiranten, der noch vor Jahresfrist mit „grünen“ Themen punkten wollte.

 

Mittlerweile mahlen in Bayern auch die Windmühlen wieder langsam. Söder riskiert urbane Wechselwähler-Stimmen als Sprachrohr eines Weiterbetriebs von Kernkraftwerken. Und er spürt sogar aus der Vorzeige-Industrie des Freistaats Rückenwind für Öko-Energie und vegane Sitzbezüge in Automobilen der Oberklasse. Was aus Sicht der klassischen CSU-Wählerschaft auf keine Kuhhaut gehen dürfte.

 

Bayerische Wahlen werden im ländlichen Raum verloren

 

Vor allem: Mittlerweile haben wohl auch Strategen in der CSU-Zentrale bemerkt, dass bayerische Wahlen zwar womöglich in den Großstädten gewonnen werden – aber im ländlichen Raum verloren. Dort punkten im Freistaat bisher die Freien Wähler als Gegenentwurf zum Lastenfahrrad-Utopia der Metropolen. Und als Juniorpartner einer Regierung, deren Chef sich öffentlich über schwindenden Einfluss auf das Handeln der Bundesregierung beklagt.

 

Zum kraftstrotzenden Selbstbewusstsein vergangener CSU-Epochen passen derlei Klagelieder so wenig wie die aktuellen Zwischenrufe aus dem Schmollwinkel. Bayern wird im Bund auch dann gebraucht, wenn die CSU eigene Sorgen hat. Und nicht wahrhaben will, dass in Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein (und innerhalb der Grünen) neue bürgerliche Bündnisse entstanden sind, die durchaus einen Blick über den weißblauen Tellerrand wert wären.

 


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