Putins fünfte Kolonne

Mit Wagenknecht hat sich die Linke von ihrem Ziel, als Regierungspartei Verantwortung zu tragen, fürs Erste verabschiedet

Träumt Sarah Wagenknecht von der Gründung einer „Neuen Linken“? (Symbolbild: Elmer L. Geissler)
Träumt Sarah Wagenknecht von der Gründung einer „Neuen Linken“? (Symbolbild: Elmer L. Geissler)

 

Von Wolfgang Molitor

 

Es geht bei der Linkspartei längst nicht mehr um Sahra Wagenknecht allein. Es geht ans Eingemachte. Um die politische und inhaltliche Führung und letztlich um die entscheidende Frage, wo das eigentliche Machtzentrum einer Partei zu verorten ist, die sich zwischenzeitlich zwischen Straucheln und Scheitern eingerichtet zu haben scheint.

 

Wagenknecht hat im Bundestag mit ihrer verheerenden Rede, in der sie mit Blick auf die westlichen Sanktionen gegen Russland der Bundesregierung vorgeworfen hatte, „einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen“, die Macht- und Richtungsfrage gestellt. Beileibe nicht zum ersten Mal, aber noch nie an so einem exponierten Ort, noch nie mit der keineswegs arglosen Hilfe der Fraktionsspitze, noch nie bei einer derart existenziellen Ausrichtung.

 

Am Rednerpult des Bundestages sprach Wagenknecht nicht für sich, sondern für die Linke insgesamt. Vor den Augen des Hohen Hauses outete sie sich – und mit ihr einige andere Linke-Abgeordnete – in einer dramatischen außen- und wirtschaftspolitischen Zeit bewusst polarisierend als Putins fünfte Kolonne, die sich angesichts wachsender sozialer Probleme in Deutschland daranmacht, aus dem Kriegstreiber das Opfer westlicher Allmachtsfantasien zu formen.

 

Parteichef Schirdewan appelliert an Fraktion

 

Da klingt es fast rührend, wie Linke-Parteichef Martin Schirdewan die Fraktionsführung in die Pflicht nehmen will. Die Austritte von Ulrich Schneider, dem Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, und dem früheren Europa- und Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi schmerzten sehr, klagt Schirdewan. Denn Schneider und De Masi sind in der Partei nicht irgendwer. Sie standen für eine Öffnung der Linken und den Anspruch, Regierungsverantwortung mitzutragen. Schirdewan liegt deshalb zumindest in diesem Punkt richtig: Ihre Verbitterung zeigt, dass „die Missachtung demokratischer Beschlüsse bei Auftritten im Namen der Fraktion durch einzelne Abgeordnete“ der Linken „massiv“ schaden.

 

Doch Wagenknecht gibt nicht klein bei. Sie habe selten nach einer Rede so viel Zustimmung erhalten wie in diesem Fall, legt die frühere Fraktionschefin nach und spricht stolz von Hunderten Mails und einem millionenfachen Redepublikum. Nein, sie wird nicht nachgeben. Wer ein Problem damit habe, die Regierung scharf anzugreifen und ihr ihre katastrophale Politik vorzuwerfen, „die Millionen Menschen mit Armut und sozialem Abstieg bedroht“, habe nicht begriffen, was Aufgabe einer linken Opposition ist. Wagenknecht setzt, wie schon mit anderen rechtspopulistischen Anleihen, auf wachsende Unterstützung inner- und außerhalb der Linken. Sie zielt dabei nicht nur in ihre Partei, sondern auf den sozialen Frieden im Land. Was bedeutet: Mit Wagenknecht hat sich die Linke von ihrem Ziel, als Regierungspartei an der Seite von SPD und Grünen Verantwortung zu tragen, fürs Erste verabschiedet.

 

Mehrere Tausend Unterstützer für Wagenknecht

 

Mittlerweile gibt es neben Austritten von anderen Linken eine Petition für Wagenknechts Position mit mehrere Tausend Unterstützern. Mit folgenlosen Appellen an die lavierenden, die Wagenknecht-Rede zusammen mit der AfD beklatschenden Fraktionschefs Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali. Sie sollten dafür sorgen, „dass sich so etwas nicht mehr wiederholt“ – im Klartext, dass man Wagenknecht nicht mehr ans Redepult lässt.

 

Gut möglich, dass Wagenknecht, die von der Gründung einer Neuen Linken träumt und Gerüchten zufolge offensiv Mitstreiter in der Bundesfraktion und in einigen Landtagsfraktionen sucht (und deshalb nicht nur bei Thüringens Bodo Ramelow, dem einzigen Linke-Ministerpräsidenten, und seiner Minderheitsregierung für Nervosität sorgt), aufs Ganze geht. Acht bis neun Claqueure soll sie in der Bundestagsfraktion, die sich wie die Parteispitze mehrheitlich klar gegen den russischen Krieg positioniert hat, auf ihrer Seite haben. Das Problem ist nur: Sollten nur drei von ihnen der Fraktion den Rücken kehren, verlöre diese ihren Status und verkümmerte mit weniger Rechten und weniger Geld zur Gruppe.

 

Auch wenn Bartsch eine Spaltung verhindern will: Die Linke wird sich erklären müssen, was ihr wichtiger ist. Mit Wagenknecht oder ohne. Aber vielleicht nimmt Wagenknecht der Fraktion die Entscheidung ab.

 


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