Schwedens Bürgerliche greifen nach der Macht

Wählerwanderung überrascht: Geplündert wurden von den Rechtspopulisten vor allem die Sozialdemokraten

Wahl in Schweden - Abstimmung an der Wahlurne (Symbolbild: iStock/andriano_cz)
Wahl in Schweden - Abstimmung an der Wahlurne (Symbolbild: iStock/andriano_cz)

 

Von Michael Lehner

 

Schwedens gutbürgerliche Parteien finden sich überraschend auf dem Weg an die Regierung. Die rechtspopulistischen „Schwedendemokraten“ sind zwar zweitstärkste Partei geworden, haben aber vor allem das linke Lager so geschwächt, dass Regierungschefin Daniela Andersson von den Sozialdemokraten nicht mehr mit einer zweiten Amtszeit rechnet. Sie hat erst einmal ihren Verzicht erklärt.

 

Nach dem jetzt gesicherten vorläufigen Endergebnis der Reichstagswahlen vom vergangenen Wochenende führt das Lager von Konservativ-Bürgerlichen und Rechten mit einem Vorsprung von zwei Parlamentssitzen. Besonders spannend an diesem Wahlkrimi: Es sieht danach aus, dass die beiden Wahlgewinner auf der Strecke bleiben: Weder die Sozialdemokraten (plus 2 Prozent auf 30 Prozent) noch die Schwedendemokraten (plus 3 Prozent auf 20 Prozent) werden als Favoriten für das Amt des Staatsministers gehandelt. 

 

Als lachende Dritte stehen die gemäßigt Konservativen da: Vor allem bei den Moderaten, einer bürgerlichen Sammlungspartei, hatten sich die Meinungsforscher kräftig geirrt. Sie haben mit 19 Prozent weit besser als in den Prognosen abgeschnitten und sich in ihren Hochburgen weitgehend behauptet, zumal im ländlichen Raum. Ihr Spitzenkandidat Ulf Kristersson hat gute Chancen, Chef einer konservativ-liberalen (Minderheits-)Regierung zu werden.

 

Die eigentliche Überraschung ist die Wählerwanderung

 

Leer ausgehen soll hingegen Jimmie Åkesson, der sich und seine Schwedendemokraten bereits in der Wahlnacht zu Siegern ausgerufen hatte. Der smarte Unternehmersohn (Jahrgang 1979) hatte die Partei von ihren Wurzeln in der Neonazi-Szene gelöst und auf ein bürgerliches Erscheinungsbild getrimmt. Koalitionen mit anderen Parteien des konservativen Lagers schienen so vor dieser Wahl nicht mehr gänzlich ausgeschlossen. 

 

Die eigentliche Überraschung des Wahlabends wurde dann die Wählerwanderung. Geplündert wurden von den Rechtspopulisten vor allem die Sozialdemokraten. Sie konnten diese Verluste zwar durch Gewinne am linken Rand ausgleichen. Insgesamt wurde das Lager links der Mitte jedoch um die Mehrheit gebracht.

 

So ergab sich plötzlich die Chance auf konservative Mehrheiten ohne Regierungsbeteiligung der rechten Schwedendemokraten. Sie können sich einer Ablösung der rotgrünen Regierung kaum verweigern und zugleich nicht mit Stimmen der Mitte rechnen, sollte Åkesson seinen Hut wider Erwarten doch in den Ring werfen.

 

Liberale (4,6 Prozent) und die bisher eher auf die Sozialdemokraten fixierte Zentrumspartei (6,7 Prozent) gelten für den Machtwechsel zu den Moderaten ebenso gesetzt wie die Christdemokraten (5,3 Prozent). Schweden dürfte demnach Regierungsparteien bekommen, die unter dem Druck von Rechtsaußen bereits vor den Wahlen deutlich sensibler für die Sorgen der Bauern und des ländlichen Raums insgesamt geworden waren. Nicht nur bei Nutztierschäden durch Wölfe und Öko-Waldbau-Theorien der EU, sondern auch wegen der Energiepreis-Explosion im Berufspendler-Land Schweden.

 

Immer mehr Zuspruch zu den Rechten in den Städten

 

Ob es eine erfolgsverwöhnte Rechtsaußen-Partei brauchte, um die bürgerliche Mitte auf Trab zu bringen, wird in den Wahlanalysen eifrig diskutiert. Ebenso wie die Flüchtlingspolitik des abgewählten Linksbündnisses, die den Rechten zunehmend auch Zuspruch in den großen Städten einbrachte. Mit rapide wachsender Bandenkriminalität in den Metropolen kam sogar die traditionelle Hilfsbereitschaft für Asylbewerber unter Druck.

 

Auch spannend: Schwedens Grüne haben im Mutterland der Öko-Ikone Greta gerade mal 5,1 Prozent des Wahlvolks überzeugt. Und wären gar unter der 4 Prozent-Hürde geblieben, gäbe es das Frauenwahlrecht nicht auch in Schweden. Schweden war zwar das erste Land Europas, in dem Frauen das kommunale Wahlrecht erhielten, aber eines der letzten, in dem das Frauenwahlrecht auf nationaler Ebene eingeführt wurde.

 


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