Neuer Minister und neuer Präsident im Norden

Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft: Das geht einher mit der Berufung eines Bauernpräsidenten zum Minister

Ministerpräsident Daniel Günther sprach auf dem Bauerntag in Rendsburg. (Quelle: Sönke Hauschild)
Ministerpräsident Daniel Günther sprach auf dem Bauerntag in Rendsburg. (Quelle: Sönke Hauschild)

 

Von Jürgen Muhl

 

Der Ton in der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft wird rauer. Direkt, nicht unbedingt feinsinnig. Dafür aber klar und deutlich. Klare Kante. Besonders gegenüber Naturschützern und grüner Politik. Klaus-Peter Lucht löst Werner Schwarz als Präsident des Landesbauernverbandes ab. Schwarz wurde von Ministerpräsident Daniel Günther als Landwirtschaftsminister ins Kieler Kabinett geholt. „Ein versierter Fachmann“, sagte Günther zum Auftakt der 72. Norddeutschen Landwirtschaftsmesse (Norla) in Rendsburg.

 

Während Schwarz zumeist eine ruhige und moderate Haltung an den Tag legt, bevorzugt Lucht einen offensiven Lobbykurs. Der 61-jährige Landwirt aus dem kleinen Ort Mörel im Kreis Rendsburg-Eckernförde wird im Kollegenkreis schon mal als „Bollerkopp“ bezeichnet. Was nichts anderes heißt, als mit klaren Ansagen ins und aufs Feld zu ziehen. Wie beim Auftakt zur Agrarmesse, die vom obligatorischen Landesbauerntag geprägt wird. Lucht erntete für seine Eröffnungsrede großen Beifall von rund 500 Landwirten.

 

Wirtschaftlich stünde ein Großteil der Landwirte im Norden – abgesehen von den Schweinehaltern – auch angesichts einer guten Ernte „hervorragend“ da. Große Sorgen gebe es aber im Hinblick auf von der EU geplante weitere Restriktionen für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. „Das ist das heißeste Thema zurzeit“, sagt Klaus-Peter Lucht. Ein maßvoller Einsatz von Pflanzenschutzmitteln müsse möglich bleiben. Sorgen gebe es auch im Hinblick auf die weitere Kostenentwicklung. Von dem neuen Landwirtschaftsministerium und vom Umweltressort erwarteten die Bauern pragmatische Lösungen. Lucht hat zu Beginn seiner Amtszeit die Konzernzentralen großer Verbrauchermärkte wie Edeka, Aldi, Rewe oder Famila besucht. Der Kampf um die Kunden sei in vollem Gang. „Jeder will der Größte sein und den Markt beherrschen“, führt Lucht aus. Was zur Folge habe, dass der Preisdruck auf die produzierenden Landwirte noch größer werde.

 

Bioprodukte werden den Menschen zu teuer

 

Lucht weiter: Der Bauer sei gefragt wie nie. Auch in der Energiewirtschaft, „wenn ich an die Biogas-Kollegen denke“. Dies führe dazu, positiv zu denken. „Wir haben eine gute Zukunft, wenn wir es richtig anpacken“, macht der neue Präsident seiner Zunft Mut. Lucht geht für seinen Berufsstand in die Offensive. "Wir müssen uns mit zu vielen Auflagen herumschlagen. Wir wollen mehr für Tierwohl und Biodiversität tun, aber das muss auch angemessen bezahlt werden", fordert der Präsident bessere Rahmenbedingungen. Bioprodukte würden kaum noch gekauft, das ist den Menschen zu teuer", weiß Lucht. "Ich will in den gut fünf Jahren etwas bewegen", verspricht Lucht den Landwirten. Auch lässt er durchblicken, dass die Trennung von Umwelt- und Landwirtschaftsministerium nicht nach seinem Geschmack ist. Darüber müsse man noch einmal reden, sagt er an die Adresse von Ministerpräsident Günther, der in seinem folgenden Redebeitrag diese Ämtertrennung jedoch weiter als "richtig" bezeichnet.

 

Klimaschutz verlangt Anpassungen in allen Bereichen

 

Die Herausforderungen bei Ernährungssicherheit und Klimaschutz lassen sich nach Überzeugung des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther nur gemeinsam meistern. Der Klimaschutz erfordere in allen Lebensbereichen Anpassungen, sagte der CDU-Politiker nach Angaben der Staatskanzlei am Freitag zum Landesbauerntag in Rendsburg. „In der Landwirtschaft müssen wir dem Klimaschutz und der Artenvielfalt aber genauso gerecht werden wie dem Ernährungsgedanken.“

 

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und möglicher Nahrungsmittelknappheit weltweit werde die überlebenswichtige Arbeit in der Landwirtschaft mehr als deutlich, sagte Günther. Es gehe darum, die Lebensgrundlagen zu erhalten. „Ernährungssicherheit gehört dazu. Für stabile Ernten und Erträge müssen wir aber den Klimawandel so gut es geht begrenzen.“ Günther begrüßte die Entscheidung des Bundeslandwirtschaftsministers, Vorgaben zu Flächenstilllegungen und Fruchtfolgen im nächsten Jahr auszusetzen. Es sei eine ethische Verpflichtung in dieser Situation, alle Möglichkeiten zur Nahrungsmittelproduktion zu nutzen, erklärte er. „Jede Tonne, die wir in Schleswig-Holstein produzieren, hilft, Hunger in der Welt zu lindern.“

 

Die Landesregierung werde sich mit Nachdruck weiterhin für die Interessen der Landwirtschaft einsetzen, sicherte der Ministerpräsident zu. „Die kommenden Jahre werden herausfordernd für die Landwirtschaft, aber auch für alle anderen in dieser krisenbehafteten Zeit“, sagte er. „Ich will mithelfen, dass wir gut durch diese Zeit kommen.“

 

Politischer Höhepunkt der Landesbauernwoche

 

Der Landesbauerntag ist der politische Höhepunkt der sogenannten Landesbauernwoche. Schwerpunkt der landwirtschaftlichen Fachausstellung und Verbrauchermesse Norla war diesmal die Landtechnik. Rund 500 Aussteller präsentierten sich mit ihren Produkten und Dienstleistungen aus den Bereichen Landwirtschaft und Ernährung, erneuerbarer Energie, Forst, Jagd, Gartenbau sowie Kommunaltechnik und Verbraucher.

 

Die Landwirtschaft habe einen Paradigmenwechsel eingeleitet und zuvor auch Defizite aufgearbeitet, sagte Bauernverbandspräsident Lucht. Die Landwirte müssten Qualität liefern, weil der Kunde das fordere. Sein Verband stehe auch für Vielfalt der Landwirtschaft, sagte Lucht.

 


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