Die Schonfrist endet

Kommunen und Landkreise bereiten sich allerorten auf die neue Zeit der Umsatzsteuerpflicht vor.

Aktenordner, Geld, Taschenrechner. (Symbolbild: salesblog.at)
Aktenordner, Geld, Taschenrechner. (Symbolbild: salesblog.at)

 

Von Wolfgang Kleideiter  

 

EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie – hinter dem mächtigen Wort verstecken sich Vorgaben, die es in sich haben. Im Kern geht es um eine europaweit einheitliche Gerechtigkeit bei der Besteuerung von Leistungen. Keine schlechte Idee, doch die Umsetzung treibt Blüten. Körperschaften des öffentlichen Rechts zum Beispiel, dazu gehören Gemeinden oder auch Zweckverbände für die Musikschule oder die Wasserversorgung, müssen ihre Tätigkeiten durchforsten. Sie müssen künftig dann Steuern bezahlen, wenn die Leistungen auch im Wettbewerb von Privaten am Markt angeboten werden.  

 

Kommunen und Landkreise bereiten sich allerorten zurzeit in Seminaren, auf Fachtagungen oder Vortragsveranstaltungen auf die neue Zeit der Umsatzsteuerpflicht vor. Bisher kannte man in den Rathäusern vor allem die Körperschaftssteuer. In Rundschreiben bringen Experten Licht ins Dickicht der Bestimmungen, doch die Angelegenheit ist komplexer als man annehmen könnte.

 

Schulfest mit Kuchen und Mehrwertsteuer

 

Ein Extrembeispiel macht immer wieder die Runde: der Kuchenverkauf auf einem Basar in der kommunalen Grundschule. Eltern und Großeltern spenden Kuchen, der am Tag der Begegnung zugunsten einer geplanten Ausflugsfahrt verkauft wird. Ist die Schule, sprich die Stadt Veranstalter, erbringt sie am Kuchenstand eine Leistung, die ab dem 1. Januar umsatzsteuerpflichtig wird. Denn auch der Bäcker nebenan verkauft Kuchen.

 

Die Stadt muss also vom Erlös Geld ans Finanzamt abführen. Das klingt absurd, entspricht aber ab 2023 der Gesetzeslage. Springt der Förderverein der Schule als Veranstalter ein, wird für den selbstgebackenen Kuchen keine Umsatzsteuer fällig. Es sei denn, der Förderverein macht bei seinen Projekten nicht schon selbst Umsatz in fünfstelliger Höhe. Auch Schülerfirmen – pädagogisch höchst sinnvolle Kleinstbetriebe oder Mini-Genossenschaften – müssen sich erstmals mit dem Thema Umsatzsteuer befassen.

 

Kommunale Gebühren und Entgelte auf dem Prüfstand

 

Mittlerweile werden alle Gebühren und Entgelte für kommunale Aufgaben – zum Beispiel die Beglaubigung eines Dokuments im Rathaus – auf den Prüfstand gestellt. In Baden-Württemberg hat das Innenministerium mit der Hochschule für Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg sogar eine Forschungskooperation gestartet, um die komplizierte neue Steuerthematik zu durchleuchten. Benötigt wird ein kommunales Steuermanagement, damit die Gemeinde nicht Ärger mit dem Finanzamt bekommt.

 

Viele Kommunen haben den zweijährigen Aufschub genutzt, um sich so weit wie möglich auf die neue Gesetzeslage einzustellen. Parallel haben sie aber auch ausgerechnet, was der Spaß am Ende kostet. In der bayerischen Stadt Erlangen hat zum Beispiel die Kämmerei in 29 Dienststellen und zwei Eigenbetrieben eine Bestandsaufnahme gemacht. Ergebnis der Prüfung über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren: Die Steuerumstellung sorgt dafür, dass Erlangen pro Jahr etwa 200.000 Euro ans Finanzamt zahlen wird. Die steuerpflichtigen Leistungen im Rathaus umfassen 1,1 Millionen Euro. Nur in wenigen Fällen ist man vorsteuerabzugsberechtigt.

 

Wer wird am Ende die Zeche zahlen?

 

Zentrale Frage: Wer wird in Zeiten knapper Kassen diese Zeche bezahlen? Werden die neuen Steuerausgaben auf den Bürger umgelegt? Gerade bei den im ländlichen Raum vielfach eingerichteten Zweckverbänden könnte dies ärgerliche Folgen haben. In Sonntagsreden wird der Sinn der interkommunalen Zusammenarbeit beschworen. Doch diese Betriebe – vom gemeinsamen betriebenen Bauhof bis zum zentralen Wasserwerk - zahlen in Teilen demnächst Umsatzsteuer. Gebührensatzungen und Verträge werden an vielen Orten schon jetzt angepasst, um ab 1. Januar der neuen Umsatzsteuerregelung zu entsprechen. Rechtsbeziehungen, Lizenzen oder Fragen der Kostenträgergemeinschaft spielen dabei eine Rolle.

 

Die neue Umsatzsteuerpflicht trifft alle Körperschaften des öffentlichen Rechts - also auch die Kirchengemeinden. Sie müssen bei Festen, Reisen oder den Verkauf von Drucksachen demnächst Umsatzsteuer zahlen. Die Vermittlung des Glaubens bleibt umsatzsteuerfrei.

 


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