Schaukämpfe um die Kernenergie

Ein Weiterbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke wird Deutschland nicht über den drohenden Krisenwinter retten

Ein Kernkraftwerk. (Symbolbild: mhollaen)
Ein Kernkraftwerk. (Symbolbild: mhollaen)

 

Von Michael Lehner

 

Die erste bittere Wahrheit: Die vernünftige Idee, zunächst aus der fossilen Stromerzeugung auszusteigen und dann erst aus der Kernkraft, hatte hierzulande keine parlamentarische Mehrheit. Im Gegenteil: Die bürgerlichen Parteien haben sich im Wettbewerb um den Atomausstieg regelrecht überboten, nachdem im fernen Japan ein Meiler aus dem Ruder lief.

 

Der übereilte Rückzug war der Angst vor dem Wahlvolk geschuldet. Nicht nur, weil die Risiken der Kernkraft durch Katastrophen offenkundig wurden. Sondern auch, weil es an Mut fehlte, die Ursachen der Reaktor-Unfälle beim Namen zu nennen: Sowohl in Tschernobyl wie auch in Fukushima gingen möglichst hohe Renditen vor Sicherheit.

 

Offenkundig ist zudem, dass die Energie-Konzerne nur zu gern die Gelegenheit nutzten, die Risiken des Goldesels Atomstrom im Zuge des Ausstiegs dem Staat aufzubürden: Für die Atommüll-Entsorgung bis hin zur Endlagerung, die eine Million Jahre Sicherheit garantieren soll, ist mittlerweile faktisch der Steuerzahler zuständig.

 

Daraus folgt bei nüchterner Betrachtung: Ob die verbliebenen Meiler ein paar weitere Jahre betriebsbereit bleiben, ändert weder das Risiko nennenswert noch die horrenden Kosten. Und selbst die Grünen könnten darauf verweisen, dass der in ihrer (Mit)Regierungszeit ausgehandelte Ausstieg einen geordneten Rückzug vorsah. Und nicht die kopflose Flucht, die auf Fukushima folgte.

 

Konzerne setzen auf Windparks

 

Während die meisten Energie-Konzerne längst auf monströse Windparks vor Europas Küsten setzen und begriffen haben, dass die so gewonnene Elektrizität mittlerweile konkurrenzlos preiswert ist, geht die Forderung nach Weiterbetrieb der verbliebenen Atommeiler oft genug einher mit einer fast schon sektenartigen Ablehnung der Windkraft als wohnortnahe Energiequelle.

 

Der Verdacht, dass gerade bürgerliche Energie-Genossenschaften einem Teil der bürgerlichen Politik nicht in den Kram passen, liegt nahe. Wäre dem nicht so, hätten auch die Drohgebärden des russischen Diktators weniger Substanz. Sogar Gas ließe sich im Notfall mit Windstrom erzeugen – hätten wir nur genug davon.

 

Das Fazit: Der überstürzte Ausstieg aus der Kernkraft hat gepaart mit der Abneigung gegen Öko-Strom die Industrienation höchst angreifbar gemacht. Sinnvoll ist da nicht der Blick nach Frankreich, wo nahezu die Hälfte der Atommeiler abgeschaltet werden muss.

 

Risiken des Atomstroms werden nicht kleiner

 

Weit sinnvoller wäre Ehrlichkeit auf beiden Seiten. Sowohl mit der Erkenntnis, dass Kosten und Risiken des Atomstroms nicht kleiner werden, wenn wir die Notfall-Option ausschließen. Wie auch mit dem Eingeständnis, dass eine kraftvolle Energiewende von den parlamentarischen Mehrheiten verschlafen wurde.

 

Dabei geht es nicht nur um kurzfristige Krisenbewältigung. Sondern langfristig auch um die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts. Sowohl in der Grundlagenforschung zu den erneuerbaren Energien wie auch in der praktischen Umsetzung war Deutschland einst führend. Und hat zugelassen, dass die ganz großen Geschäfte mit der Öko-Energie

mittlerweile Reaktor-Nationen machen, voran die Chinesen.

 


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